Karla Wagner Stiftung E-Mail info@karla-wagner-stiftung.de
Home
Kulturjournal
Serviceleistungen
Präambel Was wir tun Wer wir sind Searchglass

Lob und Kritik, eine auch saloppe Betrachtung

Von Christian Schröter, 31. April 2021, Lesedauer 6 Minuten, 47 Sekunden

Lob und Kritik, eine auch saloppe Betrachtung

Seltsam: »Das ist scheiße!« – »Arroganz! Amaßung! Mach’s erstmal besser! Du hast keine Ahnung! Das geht Dich nichts an! Scroll doch weiter (das Deppenargument schlechthin – die Forderung nach Ignoranz)« … »Das ist super!« … »Danke, danke!« … Lob wird nie in Frage gestellt, Kritik hingegen immer.

Freedom of Speech

Mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung kommen die meisten nicht klar, zumindest dann, wenn ihnen die geäußerte Meinung nicht gefällt. Ich habe noch nie gelesen: »Super!« … »Wenn’s Dir gefällt, scroll doch einfach weiter!« … das Umgekehrte hört man hingegen ständig. Davon abgesehen: Der Begriff »Meinungsfreiheit« ist irreführend. Eine Meinung darf jeder haben, jede, zu allem. Das Grundgesetz erlaubt lediglich, sie auch zu äußern, was aber durch andere Gesetze eingeschränkt ist. Das Denken lässt sich nicht verbieten, weil das unmöglich ist.

Kritik

Und für Kritik wird mindestens Differenzierung gefordert (aber dann doch nicht akzeptiert), für Lob nie. »Das ist scheiße!« … »Warum?« … »Das ist super!« … da fragt niemand: »Warum?«. Das ist paradox. Frei nach dem Motto: Die Leute lassen sich lieber zu Tode loben, als durch Kritik retten. Mit Kritik können die wenigsten umgehen, mit Lob fast jeder. Wobei die Gründe dafür unterschiedlich sein können … wer das kann, kann auch ein Narzisst sein. An Narzissten prallt Kritik in der Regel ab (jedenfalls vermeintlich, jedenfalls tun sie so), von Lob hingegen leben sie. Wer das kann, kann auch dumm sein, weil er die Kritik nicht versteht, nicht verstehen will, nicht verstehen kann. Auch Elitismus ist ein Thema. Da kommt dann die Psychologie ins Spiel.

Eine Volksweisheit

»Zeige einem klugen Menschen einen Fehler, und er wird dir danken. Zeige einem dummen Menschen einen Fehler, und er wird dich beschimpfen.« Das gleiche gilt für Kritik, im Grunde genommen ist das Kritik. Wobei der Begriff meist missverstanden wird. Kritik ist nichts, was grundsätzlich negativ ist, der Begriff ist erstmal neutral. Auch Kritik an Geliebtem oder Gehasstem wird übrigens oft persönlich genommen. Völlig grundlos. Wer Spaß daran hat und das erleben will, kritisiere mal in einer Runde von Schlagerfans die Schlagermusik als banale Heile-Welt-Musik für Realitätsverweigerer. Mord und Totschlag.

Asoziale Medien

So funktioniert übrigens auch Instagram. Dort findet praktisch nur Lob statt. Man kann dort nur auf ein Herzchen klicken oder halt nicht. Überwiegend pflegen dort Leute ihr Ego, indem sie es darstellen und sich dann bauchpinseln lassen. Facebook ist hingegen eher etwa für Masochisten. Dort wird gerne gepöbelt und beschimpft. Wobei auch die Kommentare bei Plattformen wie Instagram oder Tiktok selten über »Supi!«, »Du Süße« oder ähnliches hinausgehen, garniert mit Emoticons wie Herzchen, Lachsmileys und ähnlichen Ergüssen. So auch das Trash-TV, allen Sendungen voran das Sat-1-Frühstücksfernsehen. Aber dort, wo dann Gruppendynamiken stattfinden, gilt auch buchstäblich: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Im »Sommerhaus der Stars« beschimpft man sich gegenseitig, beleidigt sich, bezeichnet sich gegenseitig als dumm, Frauen reden sich gegenseitig mit »Alter« an … Minuten später umarmt man sich, hüpft und klatscht vor Freude (beides ist sehr beliebt) und trinkt ein Bier zusammen.

Anti-Intellektualismus

Das alles ist nur allzu menschlich, und davon sind auch nur wenige vollständig gefeit. Menschen ticken so. Alle. Aber man kann und sollte das überwinden. So weit wie möglich. Das ist aber anstrengend und schwierig, man muss dazu in der Lage sein und das wird von vielen als belästigend empfunden. Gleiches gilt für viele Themen, auch für Dinge wie Rassismus, Fremdenhass, die sogenannte »Homophobie« (die keine »Phobie« ist, aber Betroffene sind auch keine »Arschlöcher«, wie es Morgan Freeman gesagt haben soll, sie können nicht anders, und sind dann doch »Arschlöcher«, aber nicht absichtlich) und weitere Themen. Und so ist der Anti-Intellektualismus sehr beliebt und weit verbreitet. Besonders bei Faschisten, Goebbels lehnte Intellektualismus wörtlich ab und diffamierte ihn als überspitzt und typisch jüdisch.

Der Freie Wille

Was dann auch zur Frage nach dem »Freien Willen« führt. Diesen kann es aus Gründen nicht geben, ganz davon abgesehen, dass unklar ist, was das überhaupt sein soll. Unter anderem kann es ihn rein logisch nicht geben, das wäre ein logischer Zirkelschluss. Schon Schopenhauer hat erkannt; Wir können nicht wollen, was wir wollen. Freiheit ist lediglich, tun zu können, was wir wollen. Natürlich im Rahmen der Gesetze, der Ethik, der Moral und unter weiteren Voraussetzungen. Freiheit ist aber auch, nicht alles zu tun, was man kann, das gilt gerade aktuell umso mehr. Merke: Der Bürger ist immer dann »mündig«, wenn er was will, nicht, wenn er was soll.

Lob und Kritik

Lob muss genauso hinterfragt werden wie Kritik. Oder Kritik darf genauso wenig hinterfragt werden wie Lob. Nur Kritik zu hinterfragen, Lob aber nicht, ist absurd. Aber üblich. Bei den meisten jedenfalls.

Angriffe

Und witzigerweise werden Leute, die Kritik üben, und sei sie noch so differenziert, belegt oder kompetent, von den meisten Leuten persönlich angegriffen und in Frage gestellt. Leute, die Lob üben, werden hingegen von den meisten Leuten weder persönlich angegriffen, noch hinterfragt. Im Gegenteil. Es sei denn, man wäre derselben Meinung. Dann stimmte man zu. In beiden Fällen. Wobei manche grundsätzlich nicht zustimmen. Immer oder nur bestimmten Leuten. Aus Gründen.

Die Kritik der reinen Vernunft

Immanuel Kant: »So viel ist gewiß; wer einmal Kritik (der reinen Vernunft) gekostet hat, den ekelt auf immer alles dogmatische Gewäsche, womit er vorher aus Not vorlieb nahm, weil seine Vernunft etwas bedurfte, und nichts Besseres zu ihrer Unterhaltung finden konnte« … und so gilt: Wenn, dann ist gegebenenfalls Lob genauso zu hinterfragen. Sonst ist es Tand.

Dialektik und Eristik

Ad hominem oder Ad personam ist immer abzulehnen und zeigt nur die Schwäche der eigenen Position – in mehrfacher Hinsicht. Das ist ein eristischer »Kunstgriff«, der aber – wie auch Schopenhauer schon erkannt hat – meist intuitiv erfolgt und nicht bewusst, was eben eine der besagten Schwächen der eigenen Position ist.

Wohlwollen

Ganz zu schweigen davon, dass grundsätzlich eine wohlwollende Interpretation wünschenswert ist, dass aber in der Regel das Gegenteil stattfindet. Je nachdem, ob einem das Gesagte gefällt oder missfällt. Das ist schade und traurig. Aber es gilt das oben Gesagte.

Kritizismus und das Gegenteil

Laut Gabriele Krone-Schmalz ist es die Aufgabe von Journalisten, nichts zu glauben, erstmal alles zu hinterfragen. Das ist auch die Aufgabe von Wissenschaftlern, Intellektuellen und Philosophen. Also alles nur von wenigen. Die meisten lehnen das alles ab, empfinden es als belästigend, gar als unschicklich. So wird auch Optimismus als gut empfunden, Pessimismus hingegen als schlecht. Was natürlich nüchtern betrachtet grundfalsch ist. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Optimisten haben gesagt: »Ach dieser Hitler, damit kommt er doch niemals durch! Das Parlament und sein Amt werden ihn schon zur Vernunft bringen!« … Pessimisten haben beispielsweise von Anfang an gewarnt, Pessimisten haben Rettungsboote oder Schwimmwesten und Fallschirme erfunden. Ähnlich ist es mit fleißigen und faulen Leuten. Faule Leute haben Computer und Automaten erfunden, weil sie in der Regel die effizientesten Lösungen finden, um Arbeit zu vermeiden. Fleißige Leute tun oft überflüssige Arbeit, die sich eben vermeiden ließe. Nur um ihr Ego zu kultivieren.

Buddha

Das ist eben die »Erleuchtung«, die der Buddhismus anstrebt: Die Überwindung des Egos. Kein Ego – keine Probleme. Nur noch Realität und deren Akzeptanz. Viel Ego – Probleme. Illusion und Ignoranz. Das ist nicht zu verwechseln mit Selbstbewusstsein. Es wird aber oft und gerne verwechselt. So wird bei »GNTM« ständig von »Selbstbewusstsein« gesprochen. Natürlich nicht von wahrem, von eigentlichem Selbstbewusstsein. Bestenfalls von vermeintlichem Selbstbewusstsein. Im Grunde genommen noch nicht einmal das, sondern von einer entsprechenden Attitüde und Ausstrahlung. Eine Kim Kardashian ist beispielsweise alles andere als selbstbewusst, sie erscheint nur so durch ihr prototypisches RBF und weil sie es schlicht nicht nötig hat, sich irgendetwas anzunehmen. In Wirklichkeit tut sie aber genau das, tut aber so, als täte sie es nicht. Dafür wird sie von vielen geliebt. Weil sie glauben, genauso sein zu wollen. Wenn die wüssten.

Original Content Lob und Kritik, eine auch saloppe Betrachtung bei Gütsel Online …

Karla Wagner Stiftung