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Foto: Stas Knop

Sag mir, wo die Bootlegs sind, wo sind sie geblieben?

Von Christian Schröter, 23. Februar 2023, Lesedauer 2 Minuten, 37 Sekunden

Sag mir, wo die Bootlegs sind, wo sind sie geblieben?

Gütersloh, 23. Januar 2023

Einst haben Musikfreunde teils in ihren Stiefeln Kassettenrekorder in Konzerte geschmuggelt, von den Aufnahmen dann Schallplatten (meist mit weißen Labels in weißen Covern) pressen lassen, die dann unter der Hand kursierten und unter der Hand verkauft wurden. Ein Bootleg, also eine »Raubaufnahme«, war der Heiße Scheiß. Es war etwas ganz Besonderes, eine Aufnahme eines ganz bestimmten Konzerts zu besitzen, und so wurde über zig Ecken teils viel Geld für Bootlegs bezahlt. Auch der Ruch des Illegalen verlieh ihnen etwas Besonderes.

Womöglich war das aber auch nur eine Masche der Plattenindustrie, um das Thema am Kochen zu halten? Man weiß es nicht. Heute gibt es jedenfalls keine Bootlegs mehr. Das ist auch nicht mehr nötig. Jeder hat bei Konzerten sein Smartphone dabei und vor allem auf Youtube kursieren nicht nur minderwertige Tonaufnahmen, sondern nun auch minderwertige Filmaufnahmen aller möglichen Konzerte auf der ganzen Welt. Und das gratis. Und offenbar völlig legal. Wobei die Ton und Bildqualität zunehmend besser wird.

Mit dem Verschwinden der Bootlegs ist ein Stück Kultur verschwunden. Es ging bei den illegalen Aufnahmen nie um die Tonqualität, die war meist übelst – dumpf, mit Aussetzern, verrauscht, teils von Fangeschrei überlagert, da der Bootlegger ja meist mitten im Publikum stand. Es ging um das Besondere und das Rare … und eben um den Ruch. Und alle Beteiligten (bis auf den Käufer am Ende der Kette) haben ein paar Mark damit verdient. Einige Bootlegs waren sogar so etwas wie eine Mini Geldanlage. Wahrscheinlich würde man heute bei den einschlägigen Plattformen sehr spezielle Bootlegs zu horrenden Preisen finden, wenn man danach suchen würde.

Seinerzeit war das Musikhören allerdings ohnehin noch etwas Besonderes. Viele haben sich ernsthaft mit Musik beschäftigt. Hifi Freaks haben sich mit einem Glas Rotwein aufs Sofa gesetzt und Musik gehört, sich teils auch damit auseinandergesetzt. So etwas tut heute kaum noch jemand. Schon gar nicht mit aktueller Musik. Es gibt davon viel zuviel und sie ist viel zu primitiv und banal. Dank der Verfügbarkeit überall ist Musik heute eher eine Dauerberieselung. Wobei dem manche Sparten zugegebenermaßen nicht unterworfen sind. Wie etwa der Jazz oder die Klassik. Genres, die allerdings zunehmend in den Hintergrund treten oder sich in Teilen auch dem Seichten hingeben. Das ist legitim. Aber schade. Wer würde sich heute noch freiwillig Hard Bop zu Gemüte führen? Oder sich 10 oder 20 unterschiedliche Aufnahmen derselben Symphonie kaufen, und sich mit den Unterschieden und Interpretationen der Dirigenten und Orchester beschäftigen? Die besten Aufnahmen stammen sowieso aus den 50ern, als es noch so gut wie keine Techniken wie etwa die Dynamikkompression gab. Dazu passt der Scherz bei der Einführung der CD, die in Europa wohl zuerst im Philips Museum in den Niederlanden zu hören war – man konnte sich in einen Sessel niederlassen und CDs anhören. Die Begeisterten waren begeistert: »Diese Klarheit! Man hört jedes Stühlerücken im Orchester!« … die Hifi Experten: »Klar. Die CD hat ja auch keine Dynamik! Alles ist gleich laut!« … 😬

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