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Dr. Anne Bunte ging auf die aktuellen Herausforderungen für ihre Abteilung ein und erklärte die Probleme. Fotos: Kreis Gütersloh

Kreisausschuss: Aktuelle Coronasituation

Von Christian Schröter, 2. Mai 2020, Lesedauer 7 Minuten, 9 Sekunden

Die aktuelle Coronalage im Kreis Gütersloh war am Mittwochnachmittag Hauptthema im Kreisausschuss. Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch, Dr. Anne Bunte, Abteilungsleiterin Gesundheit, und Judith Schmitz, Abteilungsleiterin Soziales, schilderten die Lage. Die traurige Nachricht des Tages gab es erst im nicht-öffentlichen Teil nach über zwei Stunden: Im Laufe des Nachmittags sei der Kreis informiert worden, dass es im Zusammenhang mit der Coronapandemie den zweiten Todesfall im Kreis gibt, teilte Landrat Sven-Georg Adenauer mit. Ein älterer Mann, Jahrgang 1934, mit schweren Vorerkrankungen, der zuletzt intensivmedizinisch betreut worden ist, ist am Mittwoch gestorben. Ob der Patient mit oder an Corona gestorben ist, ist nicht bekannt. Laut RKI sind diejenigen, die sterben und positiv getestet worden sind, in der Statistik als Opfer der Coronapandemie zu führen. Seit dem 12. März, als der Landrat den Stab einberief, gilt der Krisenstabsmodus. Jeden zweiten Tag kommt der Krisenstab in wechselnden Besetzungen zusammen, erläuterte Kuhlbusch. Einmal auch am Sonntag, nachdem tags zuvor bekannt wurde, dass ein Patient einer Dialysestation in Halle/Westf. positiv getestet worden ist. Er zeigte die Vielzahl der Aufgabenschwerpunkte auf, die es derzeit im Krisenstab zu koordinieren und erledigen gebe, wobei die Prioritäten bedingt durch die Dynamik der Entwicklung immer wieder anzupassen seien. Dr. Bunte ging auf die medizinische Versorgung ein: Die Gesundheitsämter würden als die dritte, »kleine Säule« des Gesundheitssystems bezeichnet. Die beiden großen: Die Arztpraxen und die Krankenhäuser. Nichtdestotrotz steht die Abteilung Gesundheit des Kreises im Fokus der Coronapandemie. Der Versorgungsbereich im hausärztlichen Bereich liege in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Bielefeld und der Kreis Gütersloh bilden einen Verbund innerhalb der KVWL. Ziel sei es, die Sicherstellung der Notfallversorgung in den Krankenhäusern und der Sprechstunden der Praxen aufrecht zu erhalten. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) plane mit Unterstützung des Krisenstabes sogenannte Diagnose- und Behandlungszentren (COVID-19-Behandlungszentren), damit die Patienten mit typischen Symptomen, die auf eine Ansteckung durch den neuartigen Coronavirus deuten, nicht die normale Hausarztpraxis aufsuchen. »Damit diese Patienten nicht in die Praxen gehen, sollen im Bereich Bielefeld/Gütersloh drei dieser Praxen entstehen, eine in Bielefeld, zwei im Kreis Gütersloh«, so Dr. Bunte. »Die Besetzung der Praxen erfolgt über die KVWL, das ist deren Einrichtung.« Der Kreis Gütersloh beziehungsweise die Stadt Bielefeld unterstützen mit Räumlichkeiten und Personal. Nach wie vor sei die Devise »Zeit gewinnen«, betonte Dr. Bunte. In der Diskussion im Kreisausschuss wurde auch deutlich, woran es im Alltag hakt: Dr. Josef Sökeland, selbst Arzt und in der Geschäftsführung eines der größten Praxisverbünde in der Region mit 100 Mitarbeitern und Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag, schilderte die Probleme bezüglich der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) – damit sind Masken, Kittel, Schutzbrillen und dergleichen gemeint: Sie hätten ein »Carepaket« erhalten, in dem ein Liter Desinfektionsmittel enthalten war, elf Masken und zwei Kittel. Er forderte angesichts dieser Lieferung, dass der Staat in die Verantwortung zu nehmen sei. Krisenstabsleiter Kuhlbusch verdeutlichte, dass der Bund für die Versorgung der KVWL, also der Arztpraxen, zuständig sei. Aber er macht den Praxisärzten auch Hoffnung: »Bevor alle Stricke reißen, sorgen wir dafür, dass nicht alles zusammen bricht.« Man tue alles, was man könne. Die Priorität des Kreises habe aufgrund der Zuständigkeiten eine klare Rangfolge: Krankenhäuser, Rettungsdienst, Arztpraxen, Senioreneinrichtungen und solche der Kinder- und Jugendhilfe. Dr. Bunte berichtete über die Entscheidung gemeinsam mit den vier Kliniken, dass keine COVOD-19-Klinik eingerichtet wird, in der ausschließlich Patienten behandelt werden, die positiv getestet worden seien. Die vier Kliniken im Kreis hätten erklärt, sie wollen die Notfallversorgung sicherstellen – für alle Patienten und seien entsprechend vorbereitet. Alle Häuser haben sich auf den Weg gemacht, so dass sie COVID-19-Patienten versorgen können und Patienten mit anderen Erkrankungen, damit nicht ein Haus völlig überlastet sei. Die meisten positiv getesteten Patienten befänden sich nach wie vor in häuslicher Quarantäne. Engen Kontakt halte ihr Team, so Dr. Bunte, auch zu den Hausärzten, besonders für den Fall, dass sich der Zustand der Patienten verschlechtere und die in eine stationäre Behandlung verlegt werden müssten. Die Beatmungskapazitäten an den vier Kliniken im Kreis sollen aufgestockt werden, von 40 auf 70. Kuhlbusch: »Wir werden sehen, ob das ausreicht.« Sollte es nicht reichen, sei mit der Bezirksregierung Detmold abgesprochen, dass auch andere Kreise in OWL mit größeren Krankenhauskapazitäten aushelfen und Patienten aus dem Kreis Gütersloh aufnehmen. Landrat Adenauer hat eine entsprechende Unterstützung durch die Bezirksregierung Detmold und die Kreise Lippe und Minden-Lübbecke zugesagt bekommen. Aktuell hat der Kreis Gütersloh (Stand 1. April, 12 Uhr) vier intensiv zu versorgende Patienten. Vor der Coronaepedemie gab es 40 Intensivbetten mit Beatmung Betten in den vier Krankenhäusern im Kreis, derzeit liege deren Zahl bei 59. Zur Arbeitsgrundlage der Abteilung Gesundheit führte Dr. Bunte streute grundlegende Aussagen ein: Grundlage derzeit sei das Infektionsschutzgesetz. »Wir werden die Erkrankung nicht verhindern. Vorbeugen, Infekte erkennen und Weiterverbreitung minimieren, also Abflachung der Kurve«, sei die Maxime. Aber sie appellierte auch an alle: »Die Eigenverantwortung von Einrichtungen sowie jedes Einzelnen ist gefordert.« Bereits der Verdacht auf eine Infektion sei meldepflichtig. Im Kreis Gütersloh seien viele der Infektionen auf Rückkehrer von Skiurlauben in Österreich zurückzuführen, besonders aus Ischgl. Ärzte, Labore, und angehörige der Pflegeberufe seien verpflichtet, Verdachtsfälle zu melden. Das Team Infektionsschutz, erklärte Dr. Bunte, komme in ‚Friedenszeiten‘ auf 7,5 Stellen, derzeit arbeiten dort rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Verstärkt wurde die Infektionsschutzgruppe durch Kollegen und Kolleginnen aus der Abteilung des Gesundheitsamts und aus anderen Abteilungen des Kreises, etwa von Schulsekretärinnen und aus der Abteilung Geoinformation, Kataster und Vermessung. Zudem unterstützt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MHD) mit fünf Personen das Team. Angefragt ist zudem beim Robert Koch-Institut (RKI) eine Unterstützung durch 15 Medizinstudenten. Das RKI hatte eine Plattform gestartet, über die sie sich als Unterstützung melden konnten. Ob dieses Hilfeersuchen fruchtet, zeigt sich in der nächsten Woche. Sie sollen das Team aus derzeit 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verstärken, die das Kontaktmanagement mit positiv getesteten Personen betreiben. Die Vorgaben dazu seien komplex, betonte Dr. Bunte. Die Vorgaben des RKI verändern sich lagebedingt mitunter alle zwei Tage. Zu den Quarantäne-Regeln äußerte sich Dr. Bunte differenziert: Es habe Gruppen gegeben, die sich nach dem Aufruf des Landrats, sich als Rückkehrer aus Skigebieten in Quarantäne zu begeben, vorbildlich verhalten hätten. Und solche, die das ignoriert hätten. Man habe keine Möglichkeit, mehr zu machen, erklärte Dr. Bunte und appellierte an die Verantwortung aller. Ergänzung vom Arzt Dr. Sökeland: »Bei uns in der Praxis waren alle Fälle auf Österreich zurückzuführen.« Immer mehr rücken Einrichtungen der Altenpflege in den Fokus, Würzburg und Wolfsburg, wo zahlreiche Seniorinnen und Senioren starben, seien eine Mahnung, so Judith Schmitz, Leiterin der Abteilung Soziales beim Kreis Gütersloh. Sie stellte klar: »Wir müssen in diesem Bereich eine zusätzliche Infrastruktur schaffen.« So sind unter anderem zusätzliche Kurzzeit-Pflegeplätze notwendig, um die Versorgung sicher stellen zu können. Sie nannte Beispiele: Der Pflegedienst kommt nicht mehr. Es liege eine leichte Erkrankung vor, die häusliche Versorgung durch Angehörige sei nicht mehr möglich. Weiteres Beispiel: Es werden Seniorinnen oder Senioren aus dem Krankenhaus entlassen, aber eine häusliche Unterbringung oder die Unterbringung in regulären Senioreneinrichtungen sei nicht möglich. »Wir brauchen Personal, die Räumlichkeiten und eine Refinanzierung«, erklärte Schmitz. Zweite große Baustelle: »Wir wollen verhindern, dass die ambulante Pflege nicht mehr sicher gestellt ist.« Die Großen hätten sich bereits zusammen getan in einem Netzwerk. Das Prinzip: Sie tauschen Kunden, nicht Mitarbeiter, um die Versorgung sicher zu stellen. Auch die privaten Anbieter seien angesprochen worden, sich dem Netzwerk anzuschließen. Zur Versorgung mit der persönlichen Schutzausrüstung führte Krisenstabsleiter Kuhlbusch aus: Das Team Materialbewirtschaftung sei - aufgrund der Vielzahl der Hinweise und Angebote - inzwischen auf sieben Personen, anfangs zwei, aufgestockt: Es verwaltet sowohl die Spenden und die kommerziellen Angebote als auch die Verteilung in Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst des Kreises. Das gesamte Material wird über das Warenwirtschaftssystem des Rettungsdienstes des Kreises verwaltet – die hätten das System und die Lieferkontakte. Bestellt seien aktuell – um ein Beispiel zu nennen – 400.000 Mund-Nasenmasken, 5.000 Kittel und 750 Schutzbrillen. Zahlreiche, aber bei Weitem nicht ausreichende Spenden seien nach dem Aufruf eingegangen. Der Kreisausschuss tagte ausnahmsweise in kleinerer Besetzung im Kreishaus Wiedenbrück. Neun Kreistagsabgeordnete plus Landrat Sven-Georg Adenauer verteilten sich im dortigen großen Sitzungssaal. Die Mehrheitsverhältnisse wurden durch die Verkleinerung nicht verändert.

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