Von Christian Schröter, 15. Mai 2021, Lesedauer 2 Minuten, 15 Sekunden
Als ich vor vielleicht 25 Jahren in der »Kritik der reinen Vernunft« das erste Mal davon las, dachte ich, Kant habe mit seinem »Kategorischen Imperativ« etwas ganz anderes gemeint, weil ich dachte, so banal könne es doch wohl nicht sein.
Denn dieser »Kategorische Imperativ« krankt an zwei Tatsachen. Die eine ist die, dass er ein logischer Zirkelschluss ist. Denn er macht das, was er begründen will, nämlich das Handeln (als Folge des Wollens), selbst zu seiner Voraussetzung (das Wollen). Die andere ist die, dass sich einfach niemand daran hält. Was also ist das für ein »Imperativ«, der keiner ist?
Die vermeintlich saloppe Form, die »Goldene Regel« »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu« krankt an denselben Tatsachen, trifft aber nicht das, was der »Kategorische Imperativ« aussagt. Denn bei diesem spielt das, was einem »selbst getan« wird, überhaupt keine Rolle.
Nun gibt es im Feminismus (warum wohl ausgerechnet und eigentlich nur dort?) die sogenannte »Standpunkt-Theorie«, wonach jede Position an einen Standpunkt gebunden ist. Das kann man so sagen, zumindest erwachsen die meisten Positionen aus einem Standpunkt. Sich nun überhaupt auf einen Standpunkt zu kaprizieren, ist relativ kurzsichtig. Das Zauberwort lautet »Selbstdistanzierung«. Daran mangelt es derzeit vor allem den ganzen »Aktivisten«, von denen die meisten in Wirklichkeit Extremisten und Fanatiker sind. Und die nicht begreifen, dass das ganze eine Modeerscheinung ist, und dass sie ihre Ziele so nicht erreichen werden, weil ihnen eben das Verständnis von Selbstdistanzierung fehlt. Und damit die Möglichkeit der übergeordneten Betrachtung oder der Betrachtung von einem anderen Standpunkt aus, wofür Empathie eine Voraussetzung sein mag. Die Möglichkeit der Meta-Ebene überhaupt. Schlechterdings nehmen sie den Standpunkt einer oder mehrerer von ihnen patronisierten Menschen ein, den sie aber damit zu ihrem eigenen machen. Indem sie zum einen ihr Ego darauf ausweiten und den sie zum anderen in ihr Ego integrieren. Mehr als das: Viele behaupten sogar, das alles sei gar nicht möglich, man müsse denselben Standpunkt haben, um überhaupt irgendeine Position haben zu dürfen. Was nun sehr, sehr dumm, sogar impertinent ist. Die unvermeidliche Folge daraus ist, dass sie alle, die diesen Standpunkt nicht haben, als Feinde betrachten, die ihre Position weder haben können noch haben dürfen. Davon können und wollen sie allerdings nichts wissen. Deshalb sind sie auch so aggressiv. Wie man sieht.
Aus dieser »Standpunkt-Theorie« ergibt sich nun so etwas wie ein wirklicher »Kategorischer Imperativ«. Nämlich dergestalt, dass eine Position daraus resultieren kann oder dadurch beschränkt (sic!) sein kann, dass man zwangsläufig einer bestimmten Kategorie angehört, die auch sehr abstrakt sein kann. Das heißt aber leider, dass auch so etwas nichts wert ist.
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