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Lächerlich

Von Christian Schröter, 18. Mai 2021, Lesedauer 6 Minuten, 19 Sekunden

Lächerlich

Ist alles, worüber man sich lustig machen kann, lächerlich? Allerdings. Dagegen arbeitet man natürlich an: Mit Pathos. Und das Größte, vermeintlich Unangreifbarste ist nicht etwa Liebe, nein, es ist Leid. Und hier ist auch das Pathos am stärksten. Am allerstärksten äußert es sich in Form von Ethik. Etwas völlig anderem als Moral. In Israel haben mir Juden Holocaustwitze erzählt, für die man hierzulande umgehend in den Knast käme. Auf der anderen Seite sind auch im Nahen Osten viele Moslems große Hitlerverehrer.

Die Philosophie arbeitet sich seit Menschengedenken ab. Mit mehr oder weniger Erfolg. Ein Spaßvogel wie Gabriel hat gar behauptet, die gesamte Philosophie der vergangenen 2.500 Jahr sei komplett falsch. Aber er habe nun mit seiner lachhaften »Sinnfeldtheorie« den großen Durchbruch erzielt. Aber wie hätten wir’s denn gern? Ist das Sinnfeld so groß, wie die Wahrnehmung und das Denken desjenigen, dessen Wahrnehmung und Denken vom Sofa bis zum Fernseher reicht? Oder desjenigen, bei dem es bis in die Unendlichkeit reicht? Oder an welcher Kategorie macht er das fest? Sprache? Semantik? Physik?

Man mag es gar nicht wissen wollen. Und wieso 2.500 Jahre? Das ist wieder einmal der typische Eurozentrismus. Mithin albern, eben lächerlich. Deshalb sage beziehungsweise frage ich ja auch: Liegt nicht die ganze Weisheit in Witzen? Wie man sieht, liegt viel Wahrheit in Satire. Kant sagte sinngemäß, wer einmal von der Kritik der reinen Vernunft gekostet habe, den ekele auf immer das dogmatische Gewäsche, dessen sein Geist zur Unterhaltung mangels Besserem bedurft habe. Ich würde eher von pathetischem Gewäsche sprechen. Das trifft es besser. Aber das ist wohl einer der größten Sätze der Philosophie. So wie auch Nietzsches Festellung: »Gott ist tot. Er starb an seinem Mitleid mit den Menschen« … das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Wegen allgemeiner Dummheit wird er meist nur mit dem ersten Teil der Aussage zitiert. Was natürlich dann Nonsens ist. Aber die allergrößte Erkenntnis ist die – und das ist »Buddhism in a nutshell«: What is, is. What is not, is not. The goal is nothing. Und das ist, Herr Gabriel, nun deutlich älter als 2.500 Jahre. Und nicht falsch, sondern richtig. Buddhismus ist im Kern Materialismus, womit wir bei Marx und Lenin wären. Was nun aus Buddhismus gemacht wurde, ist teilweise auch wiederum lächerlich. Und siehe da: Über was kann man sich nicht lustig machen? Über das, was ist. Man kann sich nicht über den Mond lustig machen. Oder über die Schwerkraft. Nur über das, was wir »Geist« nennen, und sei es der tierische – auch Katzen sind lustig. Nicht Katzen an sich, aber ihr Verhalten. Ihr Geist. Sie sind also Brüder im Geiste.

Und so stellt sich wieder die Frage: Dürfen wir aus ethischer Sicht Tiere essen? Für die Conditio humana ergibt sich daraus die (buddhistische) Erkenntnis: Glück ist, der sein zu wollen (!), der man ist. Leider, so Schopenhauer, können wir nicht wollen, was wir wollen. Freiheit bedeutet, das tun zu können, was wir wollen. Willensfreiheit kann es, von der Frage abgesehen, was das überhaupt sein soll, rein logisch nicht geben. Das wäre ein logischer Zirkelschluss und nicht regressionsfest. Und hoppla: Das ist letztlich auch das Ziel jeglicher Psychotherapie. Der sein zu wollen, der man ist. Oder es wenigstens zu akzeptieren. Neben Philosophen, die sich dem genähert haben, haben das auch Künstler getan. Beispielsweise auch Literaten und Dichter. Aber auch alle anderen.

Wieviel Weisheit liegt in Christian Morgensterns Worten über den Menschen: Er sei nicht schön, irgendwie heiße sein Name. Es ließen sich zahllose Beispiele anführen. So heißt es, der Mensch sei keine Insel. Und was sagt Mike Oldfield? »We are islands, but never too far«. Oder Enya singt über »Flora’s Secret« und darüber, warum der Himmel blau ist. Ken Wilber hat sich dem mit seinem (?) Konzept der »Holarchien« genähert, wonach alles für sich ein Ganzes (ein Holon) ist, zugleich aber auch nur ein Teil des großen Ganzen oder eines anderen Ganzen, und daraus ergeben sich nun die besagten »Holarchien«. Zwischenzeitlich wurden auch alle möglichen Götter erfunden, um sich dem ganzen zu nähern, davon ist man mittlerweile abgekommen und stellt tendenziell eher auf die Wissenschaft ab. Aber hoppla: Ausgerechnet Werner Heisenberg hat gesagt, man fände am Grund des Glases der Wissenschaft, wenn man es austränke, Gott. Das ist traurig, weil das ein Mangel an Phantasie ist. Es gibt eine viel bessere Lösung des ganzen, die der reinen Logik folgt. Aber niemand traut sich oder ist willens und in der Lage sie zu denken, wie man heute so unschön sagt. Sie hat – wie gesagt – mit Logik, mit Wahrscheinlichkeit und mit Unendlichkeit zu tun.

Mit Beispielen könnte man ganze Bibliotheken füllen und viel Namedropping betreiben, was sehr beliebt ist. Und seien es völlig unbekannte oder gar erfundene Namen. Man steht erstaunlicherweise oft besser da, wenn man irgendjemanden mit irgendetwas zitiert, als wenn man es selbst sagt. Umso besser, je bekannter die Quelle ist. Oft reicht schon die Quelle an sich, eines Zitats bedarf es oft gar nicht. Und letztlich gilt sowieso dieses: Die meisten hören denen zu, die nichts zu sagen haben. So steht (oder sitzt) man in einer Fernsehtalkshow (reine Unterhaltung und nichts als Unterhaltung) gut da, wenn man sagt: Der Theaterautor Soundso (Christian Morgenstern: Irgendwie heißt sein Name) habe etwas gesagt. Wenn man es einfach selbst sagt, wird man nicht ernstgenommen, es sei denn, man habe selbst einen bekannten Namen oder irgendwelche Meriten. Der Mensch ist eine Fehlersuchmaschine (Stephan Gebhardt-Seele). Dafür ist jeder anfällig, weil es ja auch Spaß macht, man wirkt »gebildet«. Auch dazu könnte man viel sagen. Oft steht man schon als großer Philosoph da, wenn man in einem Gespräch einfach mal locker den Namen »Hegel« in den Raum wirft. Dass man ihn nie gelesen (sic!) hat und nicht weiß, ob und was er überhaupt gesagt hat: geschenkt. Notfalls behauptet man einfach irgendetwas – wer wollte das widerlegen? Und wie? Im dummen Facebook kann man ganze Philosophiegruppen aufmischen, indem man sagt: »Das Subjekt ist das Prädikat des Objekts an sich, Kant«. Womit wir wieder bei der Lächerlichkeit wären.

Die besagten Bibliotheken wurden gefüllt, seit es menschliche Aufzeichnungen gibt. Deshalb ist auch das geschriebene Wort das wichtigste Kulturgut überhaupt, mithin Gutenbergs Erfindung eine der wichtigsten überhaupt. Und nein, er hat nicht den Buchdruck erfunden. Er hat den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden. Das ist der Epistemologie der Sprache und des Mediums geschuldet. Deshalb sagt übrigens auch ein Bild nicht mehr als tausend Worte – es sagt etwas ganz anderes. Das alles ist eine eigene Abhandlung wert. Und was tut Deutschland? Schafft ausgerechnet den Beruf des Schriftsetzers ab. Weil nun dank der »Digitalisierung«, die in erster Linie die Simulation von etwas ist, in zweiter Linie die Automatisierung, vermeintlich jeder Schrift setzen kann. Kann er nicht. Das ist ein Beispiel für die völlig unkritische und unreflektierte Durchführung und Hinnahme der »#Digitalisierung«. Die uns, Stand heute, viel genützt, aber auch viel geschadet hat. Und uns alles andere als »#KI« als »Künstliche Intelligenz« gebracht hat – nämlich »KD«, »Künstliche Dummheit«. Das soll und wird nun nicht dem Nihilismus Tür und Tor öffnen, ebenso wenig, wie das die Erkenntnis getan hat, dass alles Leben sterblich ist. Vielleicht kann man Ethik aus dem Phänomen der Emergenz ableiten, die jedem Leben innewohnt. Das wäre womöglich ein brauchbarer Ansatz.

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