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Von Christian Schröter, 14. September 2021, Lesedauer 3 Minuten, 17 Sekunden

Am 13. August 1961 geschah das Unvorstellbare: Die SED machte dicht und zog einen Stacheldraht quer durch Berlin. Der verhängnisvolle Bau der Mauer, dem zum Insignium gewordenen Symbol des Kalten Krieges, begann.

Kennedy meinte, die Mauer sei »keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg«. Der Präsident der USA musste es wissen: Er kannte die Pläne, er wusste, wie dünn der Faden war, an dem der Frieden hing. Als er vom Gipfeltreffen mit Chruschtschow Anfang Juni 1961 zurückkehrte, stellte er seinen Experten die Frage, wie viele Amerikaner bei einem Nuklearkrieg sterben würden. Etwa 70 Millionen, lautete die Antwort. Danach schickte er seinen persönlichen Beauftragten nach Moskau und die Geschichte Deutschlands nahm seinen verhängnisvollen Gang.

Die beiden ranghöchsten DDR-Militärs Heinz Keßler und Fritz Streletz, die noch persönlich Auskunft geben können, analysieren mit dem Insider-Wissen von damals und den Erfahrungen von heute, was 1961 wirklich geschah.

Heinz Keßler

Heinz Keßler (1920 bis 2017) wuchs in einer kommunistischen Familie auf und lernte in Chemnitz Maschinenschlosser. Ende November 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen, zum MG-Schützen ausgebildet und im Juni 1941, wenige Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion, an deren Grenze verlegt. Drei Wochen später, während des scheinbar unaufhaltsamen Vormarsches, trat er zur Roten Armee über. In Abwesenheit wurde er vom faschistischen Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Dessen ungeachtet blieb er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 1943 gründete er mit anderen Soldaten und Offizieren das Nationalkomitee »Freies Deutschland«, später war er als Frontbeauftragter des NKFD an verschiedenen Frontabschnitten tätig. Als Angehöriger der Roten Armee kam er im Mai 1945 nach Berlin. Er gehörte im Frühjahr 1946 zu den Gründungsmitgliedern der Freien Deutschen Jugend (FDJ). 1950 trat er den sich formierenden bewaffneten Organen bei, war zunächst Leiter der Volkspolizei-Luft, dann Stellvertreter des Innenministers. Mitte der fünfziger Jahre absolvierte er die Generalstabsakademie der UdSSR in Moskau. Danach wurde er zum Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung berufen und Chef der Luftstreitkräfte der NVA. 1985 trat er die Nachfolge des verstorbenen Verteidigungsministers Heinz Hoffmann an. 1986 kam Heinz Keßler auch in das Politbüro des ZK der SED. Mitte November 1989 trat er von all seinen Funktionen zurück, im Januar 1990 schloss man ihn auch aus der SED-PDS aus. Danach kam er wegen des Vorwurfs der »Verschwendung von Volksvermögen« einige Monate in U-Haft. Im sogenannten ersten Politbüroprozess wurde er 1993 zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen »Anstiftung zum Totschlag« verurteilt. Von der Strafe saß er mehr als die Hälfte ab und wurde dann aus gesundheitlichen Gründen »auf Bewährung« entlassen. Armeegeneral a. D. Heinz Keßler überlebte seine Frau Ruth um etwa vier Jahre.

Fritz Streletz

Fritz Streletz, geboren 1926, kam unmittelbar nach der Schule zur Wehrmacht, besuchte eine Unteroffiziersschule und war schließlich 1944/45 Unteroffizier. Bei Kriegsende kam er für drei Jahre in sowjetische Kriegsgefangenschaft und schloss sich bei seiner Rückkehr der Volkspolizei an. Anfang der fünfziger Jahre absolvierte er in der Sowjetunion einen Lehrgang für Regimentskommandeure, Jahre später auch die dortige Generalstabsakademie. Mitte der sechziger Jahre wurde Generalmajor Streletz Stellvertreter des Chefs des Hauptstabes der NVA, was er zwölf Jahre blieb. Von 1971 bis 1989 war er als Honeckers Nachfolger Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR. Als Stellvertreter des Verteidigungsministers, der er 1979 geworden war, gehörte er als Stellvertreter des Oberkommandierenden der Streitkräfte des Warschauer Vertrages der militärischen Führung des Ostblocks an. Streletz sorgte maßgeblich dafür, dass im Herbst 1989 die gesellschaftlichen Veränderungen in der DDR ohne Blutvergießen vonstattengingen. Er sorgte dafür, dass weder in Leipzig Panzer rollten noch die sowjetischen Truppen zu ihren Herbstmanövern ausrückten. Dennoch wurde er im Mai 1991 verhaftet, Anklage erst nach 28 Monaten U-Haft erhoben. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn wegen Anstiftung zum Totschlag zu fünfeinhalb Jahren Haft. Aus dieser wurde Generaloberst a. D. Streletz im Oktober 1997 entlassen.

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Verlag »Das Neue Berlin«, 240 Seiten, 15 Euro

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