Von Christian Schröter, 2. November 2021, Lesedauer 2 Minuten, 47 Sekunden
Seit etlichen Jahren feiert das #DDR-Design ein #Comeback. Seine Zweckbestimmung, Präzision, das Bewusstsein für das Material und die ästhetische Komponente werden ebenso gewürdigt wie das ethische Prinzip der Langlebigkeit, nach dem heute der Ruf immer lauter wird. Martin Kelm prägte als Leiter des »Amtes für industrielle Formgestaltung« und auch als Lehrer an der Burg Giebichenstein die Entwicklung. In einem von Kelm autorisierten Gespräch mit Günter Höhne, dem international bekannten #Design-Experten und -Sammler, erfährt man die weitgehend unbekannte Biografie Kelms und die Umstände, unter denen er sich zum »Chefdesigner der DDR« entwickelte. Ähnlich dem Gesprächsband mit Bruno Flierl über Architektur wird hier eine weitere DDR-spezifische Branche ausgeleuchtet und persönliche mit DDR-Geschichte verknüpft.
Günter Höhne
Günter Höhne, geboren 1943 in Zwickau, arbeitete nach einem Pädagogik-Fachschulstudium als Lehrer und Schuldirektor bis 1968, danach als Rundfunkjournalist. Ende der siebziger Jahre, nach einem Journalistik-Fernstudium an der Karl-Marx-Universität wurde er als Literaturredakteur bei der kulturpolitischen Wochenzeitung Sonntag eingestellt. Mitte der achtziger Jahre holte ihn Staatssekretär Kelm an das Amt für industrielle Formgestaltung, wo er von 1984 bis 1989 als Chefredakteur die Design-Fachzeitschrift »form + zweck« verantwortete. Nach dem Ende der DDR und den gescheiterten Bemühungen, vergleichbare Institution in Ost und West zusammenzuführen, arbeitete Höhne eine Zeitlang, bis zu deren Einstellung 1995, bei der Tageszeitung Neue Zeit als Ressortleiter. Seither ist er als freier Designpublizist tätig, sammelt DDR-Design, die Nachlässe von DDR-Formgestaltern und arbeitet darüber. 2012 wurden zahlreiche seiner gesammelten Objekte im DDR-Design von der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München übernommen. Weitere Teile seiner Sammlung werden im Grassimuseum Leipzig, im Werkbundarchiv – Museum der Dinge (Berlin), im Sächsischen Industriemuseum (Chemnitz), im Stadtmuseum Halle (Saale), im Museum für Thüringer Volkskunde Erfurt und im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR (Eisenhüttenstadt) gezeigt. Daneben schreibt Höhne literarische Texte. Für diese wurde er unter anderem mit dem erzgebirgischen Kammweg-Literaturförderpreis ausgezeichnet.
Martin Kelm
Martin Kelm, geboren 1930 auf der Insel Poel, Studium in Wismar und Berlin-Weißensee, hat als Designer und Hochschullehrer wie kein Zweiter das Aussehen von DDR-Waren bestimmt. Er war mit seiner Arbeit stilprägend. Vom »#TAKRAF«-Riesenkran bis hin zum Eierbecher aus Plastik hat er das öffentliche Design geprägt, das heute nicht nur als Kult, sondern inzwischen auch als zeitlos schön gewürdigt wird. Durch seine Schule sind mehrere Generationen von DDR-Designern gegangen. Kelm war von 1972 bis 1990 in seiner Funktion als Leiter des »Amtes für industrielle Formgestaltung« (»#AIF«) zugleich auch Staatssekretär und damit auch Mitglied des Ministerrates der DDR. Er sorgte in dieser Funktion unter anderem für die künstlerische Rehabilitierung des Bauhauses und für die Rekonstruktion des Gebäudes in Dessau. Aufgrund seiner persönlichen Nähe zu Honecker – so baute er das Jagdschloss Hubertusstock in der Schorfheide um und besorgte auch noch andere Aufträge der Führung der DDR – verlor er nach 1990 alle Funktionen. Die Ermittlungen gegen ihn erwiesen sich jedoch als gegenstandslos. Kelm behauptete sich als freier Designer und zog sich 1993 in seine Mecklenburger Heimat zurück. Dort engagierte er sich im Umwelt- und Naturschutz. So verhinderte er die Vernichtung eines Biotops, dessen Wasserader für den Tourismus ausgebaggert werden sollte. Seit 2008 ist Kelm verwitwet.
Eulenspiegel-Verlagsgruppe, 256 Seiten, 12,5 mal 21 Zentimeter, broschiert, mit Abbildungen, durchgängig farbig, 16 Euro