Cover: Edition Espero, Libertad Verlag, Potsdam
Von Christian Schröter, 4. Februar 2022, Lesedauer 3 Minuten, 9 Sekunden
Hipp, hipp, hurra: Jetzt ist sie da: die neue Espero Winterausgabe 2021/22, kostenlos zum Download
»Als wir vor sechs Monaten im Espero Newsletter unsere Sommerausgabe ankündigten, waren wir voller Freude, dass wir diese elende Corona Pandemie bald hinter uns haben würden. Stattdessen rollt gerade ihre vierte Welle mit mörderischer Gewalt über uns hinweg.
Damit nicht genug. Hinter uns liegt auch ein Jahr dramatischer globaler Klimakatastrophen mit Waldbränden und Überschwemmungen bislang ungekannten Ausmaßes. Zugleich sehen wir weltweit eine Zunahme rechts-populistischer Bewegungen und das Entstehen neuer sowie die Verfestigung bestehender autoritärer Regime. Sie nutzen die Gunst der Stunde, um ›alte Rechnungen‹ zu begleichen, ihre politischen Gegner zu vernichten und zum Todesstoß gegen die Zivilgesellschaft anzusetzen.
Das Leben in der Katastrophe ist zu unserem neuen Alltag geworden. Dennoch haben Krisen – wie wir in unserem Corona-Special vor einem Jahr aufzuzeigen versuchten – immer auch das Potential, Menschen zu anderen gesellschaftspolitischen Vorstellungen anzuregen und neue organisatorische Realitäten zu schaffen. An diese hoffnungsvolle Perspektive möchten wir mit der vorliegenden neuen Winterausgabe anknüpfen.
Doch worauf lohnt es sich überhaupt noch als Libertäre zu hoffen? Das fragt sich Uri Gordon in seinem Beitrag und zeigt auf, warum es Sinn macht, dass wir uns trotz des drohenden ökologischen und ökonomischen Zusammenbruchs weiterhin um den Aufbau von Räumen der Freiheit, Gleichheit und Solidarität bemühen. Ähnlich argumentiert Andreea Zelinka, die sich mit der Frage beschäftigt, wie wir Anarchist:innen konkret im Hier und Jetzt reagieren können. Explizit mit dem Pragmatischen Anarchismus setzt sich Thom Holterman auseinander. Ganz pragmatisch-anarchistisch dachte und handelte vor 2000 Jahren jener jüdische Zimmermann, der als Jesus von Nazareth in die Geschichte eingehen sollte. Warum man den historischen Jesus legitimer Weise als Anarchisten bezeichnen kann, begründet Justin J. Meggitt.
Die Konstruktion lebendiger libertärer Alternativen wurde zu jeder Zeit als genuin anarchistische Aufgabe begriffen. Rückblicke auf entsprechende Praktiken und theoretische Entwürfe sind daher immer auch Erinnerungen an unsere Zukunft. Ihnen widmen sich die anschließenden Beiträge aus bewegungsgeschichtlicher wie aus biographischer Perspektive.
Am Beispiel des Dadaismus arbeitet Bernhard Rusch heraus, welch künstlerische Kraft aus der anarchistischen Offenheit für Menschen und deren Potentiale entspringen kann. Den inneren Zusammenhang von anarchistischem Terrorismus und polizeistaatlicher Strategie beschreibt Christian Gotthardt in seiner Abhandlung über Johann Christoph Neve (1844 bis 1896) aus neuer Forschungsperspektive. Die Würdigung zum 100. Todestag von Peter Kropotkin (1842 bis 1921) von Stephan Krall widmet sich dem libertären Konzept der ›Gegenseitigen Hilfe‹ und den Möglichkeiten beziehungsweise Grenzen seiner naturwissenschaftlichen Fundierung. Lebenspraktisch orientiert und auch heute noch von ungebrochener Aktualität war der Widerstandsgeist von Oskar Maria Graf (1894 bis 1967). Der Beitrag von Marlies Wanka über sein Leben und Werk öffnet den Blick auf einen konsequent Unangepassten inmitten welthistorischer #Verwerfungen. Jenen verdankte sich letztlich auch der antiautoritäre Aufbruch seit Mitte der 1960er Jahre, über dessen Wechselspiel von jugendlicher Subkultur und neo-anarchistischem Beginnen Rolf Raasch uns in seinem Beitrag Impressionen gibt. Sie leiten über zu dem Beitrag von Jochen Knoblauch, in dem er einen Ausblick auf das Werk des Schweizer Autors P. M. gibt, einem der großen libertären Anreger und Inspirationsquellen unserer Tage.
Es schließen sich vier Rezensionen zu Büchern an, die wir unseren Lesern ans Herz legen wollen. Auch sie stehen jede auf ihre Art für die Einsicht, dass eine humane und selbstbestimmte #Zukunft nur durch den mentalen Gehalt der Hoffnung und durch unser gemeinsames Handeln in der Welt entstehen kann.
Wieder möchten wir uns bei unseren Autor:innen und allen anderen Menschen bedanken, ohne deren Hilfsbereitschaft und Einsatz die Herausgabe dieser Zeitschrift gar nicht möglich wäre.«
Das Espero Redaktionskollektiv
Markus Henning, Jochen Knoblauch, Rolf Raasch und Jochen Schmück in Berlin, Frankfurt am Main und Potsdam