Dóra Maurer, »Quod libet Nr. 37«, 1997 bis 1998, Acryl, Leinwand, Sperrholz, 72 mal 241 Zentimeter, Allianz Kunstsammlung. Foto: Julia Schambeck, München, Copyright: Dóra Maurer
Von Christian Schröter, 13. Februar 2022, Lesedauer 2 Minuten, 4 Sekunden
#Kunsthalle #Bielefeld: Dra Maurer, »So Sehen und anderes Sehen«
Dóra Maurer (geboren 1937, lebt in Budapest) gilt als bedeutende Vertreterin der ungarischen Neo Avantgarde. Sie war Teil einer sich seit den 1960er Jahren außerhalb der offiziellen Kulturpolitik Ungarns entwickelnden progressiven Kunstströmung. Heute ist sie vor allem für ihre farbigen, sich überlagernden Raster bekannt, die so genannten Displacements, die darauf basierenden Quasi Bilder und Overlappings.
Die Abstraktion, insbesondere diejenige des Westens, wurde in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland als eine politische »Bereinigung« eingeführt, stellvertretend für Ideale wie Demokratie, Freiheit oder Offenheit. Entsprechend sind auch zahlreiche Sammlungen in deutschen Museen ausgerichtet, darunter auch diejenige der Kunsthalle Bielefeld. In Ländern wie Ungarn, im damaligen Ostblock, hingegen hatte die Abstraktion durchaus eine »oppositionelle« Konnotation.
Durch die Nicht Gegenständlichkeit ihrer Arbeiten, aber auch ihre Kontakte und Reisen in den Westen schon vor 1989 aufgrund ihrer doppelten Staatsbürgerschaft (ungarisch und österreichisch), nimmt Dóra Maurer eine Sonderstellung in der vom figurativen Sozialistischen #Realismus dominierten ungarischen Kunstszene ein. Ihre Experimente in den Medien Fotografie und Film in den 1970er Jahren sowie ihre auf prozessualer Verschiebung beruhenden abstrakt geometrischen Arbeiten setzen ihr Werk in offensichtliche Parallelität zur Nachkriegskunst Westeuropas und der #USA. Tatsächlich jedoch sind ihre Arbeiten ohne die Erfahrung des Lebens unter dem kommunistischen Regime nicht zu denken.
In Verbindung mit einer Sammlungspräsentation eigener Werke der deutschen und US-amerikanischen Konzeptkunst und Minimal Art stellt die Ausstellung die Frage nach den unterschiedlichen historischen Bedingungen, die zur Abstraktion und ihrer politischen Aufladung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs führten. Angesichts einer längst globalisierten Welt und der damit in Verbindung stehenden Hinterfragung des künstlerischen Kanons und entsprechender Ausstellungs- und Sammlungspolitik möchte die Kunsthalle Bielefeld mit der Präsentation von Dóra Maurer alternative Geschichten der Abstraktion vorstellen.
Die Ausstellung umfasst etwa 60 Werke aus fünf Jahrzehnten in den unterschiedlichen Medien Grafik, Film, Fotografie und Malerei. Maurers Selbstbehauptung im primär männlich besetzten Feld abstrakter Kunst soll ebenso Berücksichtigung finden wie ihre Erarbeitung experimenteller Workshops in den 1970er-Jahren, mit denen sie den damals politisch eingeschränkten Handlungsspielraum zu erweitern suchte. Bis heute hat Dóra Maurer durch ihr Wirken als Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Budapest, als Gründungsmitglied und Präsidentin der Open Structures Art Society (OSAS), Budapest, und als freie Kuratorin Vorbildfunktion für viele jüngere Künstlern in Ungarn.
29. Januar 2022 bis 15. Mai 2022, Kunsthalle Bielefeld, Artur-Ladebeck-Straße 5, 33602 Bielefeld, www.kunsthalle-bielefeld.de
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