Von Christian Schröter, 11. Mai 2022, Lesedauer 3 Minuten, 58 Sekunden
Uraufführung, A F***ing Crazy Show About The Madness Of The Stage, Theater Bielefeld
Der künstlerische Leiter und Chefchoreograf von Tanz Bielefeld Simone Sandroni präsentiert am Freitag, 13. Mai 2022 im Tor 6 Theaterhaus seine letzte Produktion für das Bielefelder Ensemble. In dieser Uraufführung ist der Name Programm …
A f***ing crazy show about the madness of the stage ist kein Tanzstück im herkömmlichen Sinne, sondern ein genreübergreifendes Spektakel über das unerschöpfliche kreative Potenzial der Bühne, jenen Schutzraum, in dem die eigenartigsten Assoziationen einen festen Boden finden. Dabei besinnt sich Sandroni zurück auf die visionären Ideen und Konzepte der Theatermacher in den 1970er Jahren, denen die Performancekunst heute verdankt, was sie ist. Radikaler Körpereinsatz, die Lust am Experimentieren und am Scheitern, die unbedingte Nähe zum, ja, die Herausforderung des Publikums – das alles sind Koordinaten für Sandronis
»spectacle total«, welches Tanz (Co Choreografie Julio César Ungo), Sprache, Musik (komponiert von Milian Vogel), Bühne, Kostüme, Requisiten (ausgestattet von Kerstin Krüger) und andere Theatertricks in einem soghaften Rausch verbindet. Mit diesem reichen Strom der Bilder, der sich der Vernunft entzieht, verabschiedet sich Simone Sandroni vom Theater Bielefeld.
Die Leitung der Kompanie trat der gebürtige Italiener zu Beginn der Spielzeit 2015/16 als Nachfolger von Gregor Zöllig an. Seitdem kreierte er ein reiches und vielfältiges Repertoire. Sein erstes Stück Geschichten, die ich nie erzählte (2015) eröffnete eine Reihe an choreografischen Werken, in deren Zentrum der Mensch und sein persönlicher Lebensweg standen. Ähnliche Stücke wie Liebe, Furcht und Dissonanzen (2018) und Woher wir kommen (2019) folgten. Mit Romeo und Julia (2017), Feuervogel (2018) und Opus Fünfundsechzig (2019) entwarf Sandroni außerdem zeitgenössische Uraufführungen, in welchen er sich mit großen russischen Kompositionen auseinandersetzte. Schließlich beeinflusste die Sehnsucht nach Transzendenz und die Suche nach der Urkraft des Lebens, die uns zum Tanzen animiert – zuletzt in Puls (2022), aber davor unter anderem auch in Im Rausch (2020) – einen großen Teil seines Schaffens, das sich immer wieder durch seine wuchtige und risikoreiche choreografische Sprache auszeichnete.
Inszenierung und Choreographie
Simone Sandroni leitet seit der Spielzeit 2015/16 die Sparte Tanz am Theater Bielefeld. Zuvor arbeitete er mit der von ihm mitbegründeten Tanzkompanie Ultima Vez in Brüssel, bis er ab 1993 mit seiner Gruppe Ernesto erste eigene Choreografien zur Uraufführung brachte. 1996 gründete er in Prag gemeinsam mit Lenka Flory die Tanzkompanie Déjà Donné, mit der er erfolgreich in 28 Ländern auf der ganzen Welt gastierte. Simone Sandroni war international als Gastchoreograf und Dozent tätig. Er schuf Arbeiten für Tanzkompanien, Festivals, freie Künstler*innen und Schulen, u.a. für das Festival de Beweeging in Antwerpen, das Theater Varia in Brüssel, die Associazione Sosta Palmizi in Cortona, das Four Chambers Dance Project in Toronto, das Lublin Dance Theater, die En-Knap Group in Ljubljana, das Luzerner Theater, das Duncan Center Conservatory in Prag, die Akademie für Tanz und Musik in Bratislava und das Bayerische Staatsballett. 2010 führte er am Prager Nationaltheater bei Gaetano Donizettis Oper Der Liebestrank Regie.
Co-Choreographie
Julio César Iglesias Ungo tanzte in der Kompanie Ultima Vez des renommierten belgischen Choreografen Wim Vandekeybus. Sein dynamischer Stil als Tänzer findet sich auch in seinen choreografischen Arbeiten wieder, darunter eine Vielzahl an Auftragsproduktionen für internationale Ensembles wie zum Beispiel Danza Contemporánea de Cuba. Sie zeichnen sich durch eine hohe Physis und eine experimentelle Tanz theater-Ästhetik aus.
Musik
Der Multiinstrumentalist Milian Vogel verbindet in seiner Musik das spielerische Element der Liveperformance mit den Möglichkeiten von Sounddesign und digitaler Musikproduktion. Während seine musikalischen Wurzeln im Soul der 1970er Jahre und im Jazz liegen, reicht die stilistische Bandbreite seines Schaffens von zeitgenössischer Kammermusik und freier Improvisation bis hin zu elektronischem Indie Pop. Milian Vogel studierte westafrikanische Rhythmen in Ghana, spielte Bassklarinette bei Hans Unstern, Saxophon und Electronics bei Andrra, ist Gründungsmitglied der Bands Nias und Le Very und langjähriger Tourschlagzeuger bei Laing. In enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten-Duo Vivan und Ketan Bhatti wirkt er regelmäßig an Bühnenproduktionen mit.
Bühne und Kostüme
Nach einer Ausbildung zur Mediengestalterischen Assistentin und Damenschneiderin absolvierte Kerstin Krüger ein Studium zur Kostümbildnerin/Szenografin an der Hochschule Hannover. Erste Engagements führten sie an das Theater Hagen und an die Kölner Bühnen. Sie arbeitete bereits als Kostümbildnerin unter anderem für die Kurzfilme Zwischen zwei parkenden Autos (Regie: Anna Linke, 2013), Drei mal Regen (Regie: Tanja Schwerdorf, 2013) und Der alte Mann und die Katze (Regie: Damian Schipporeit, 2014) sowie am Theater Osnabrück und am Staatstheater Braunschweig.
Premiere Freitag, 13. Mai 2022, 19.30 Uhr, Tor 6 Theaterhaus, weitere Termine am 17. Mai, 22. Mai, 24. Mai, 31. Mai, 2. Juni, 5. Juni, 15. Juni, 17. Juni, 19. und 22. Juni 2022, Karten online und unter Telefon +49521515454