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Aus Liebe zum Volk

Von Christian Schröter, 10. März 2005, Lesedauer 2 Minuten, 39 Sekunden

Im Februar 1990, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, wird das Ministerium für Staatssicherheit aufgelöst. Das Ende der Stasi ist gekommen. Major S. war einer ihrer Offiziere. 20 Jahre arbeitete er als Beamter im Dienst der Gesellschaft. Aus Liebe. Einer bedingungslosen, absoluten Liebe für sein Volk. Einer mißtrauischen und blinden, einer zerstörerischen Liebe. Jetzt dreht der Wind. Das Regime, dem er so lange schon dient, bricht zusammen. Herr S. steht vor der Entlassung. Er sitzt in seinem Büro, das ihm bald nicht mehr gehört. Wenn er durch die Tür geht, wird er nicht mehr zurückkehren. An seinem letzten Tag im Büro berichtet er detailliert über sein Leben und die 20 Jahre, die er im Herzen dieser Institution gearbeitet hat. Aus Liebe zum Volk nimmt den Monolog des Herrn S. – gesprochen von Axel Prahl – zur Folie einer überraschenden Montage. Bisher unveröffentlichte Fundstücke aus dem erstmals erschlossenen Filmarchiv der Gauck-Behörde, Stasi-Schulungsfilme, Mitschnitte von Verhören und Spitzel-Anrufen und umfangreiches Material aus privaten und öffentlichen Archiven verbinden sich zur aufregenden filmischen Reise durch 40 Jahre DDR-Geschichte. Die Spannung zwischen der Filmmontage und der Denk- und Bilderwelt eines Überwachungsstaates, wie sie sich im Bericht des Major S. zeigt, wird zur aktiven Auseinandersetzung mit Filmbildern, die oft mehr über den Aufnehmenden verraten als über die Gefilmten. Aus Liebe zum Volk ist ein kluger, überraschender, hochaktueller Film über Überwachung und Blindheit, über Glauben und Desillusion. Als Eyal Sivan und Audrey Maurion vor einigen Jahren auf den im Februar 1990 aufgezeichneten Bericht des Stasimajors S. stießen, überraschte sie dessen auffallend moderner Diskurs. »Wir hatten den Eindruck, als thematisiere der Text exakt das heute so aktuelle Hirngespinst, das ›Alles-Sehen‹ mit ›Alles-Wissen‹ gleichsetzt. Obwohl der Bericht eng mit seinem historischen Kontext verknüpft ist, löst er sich davon und sendet einen Widerhall bis in unsere Gegenwart.« Aus Liebe zum Volk verbindet den Bericht des Major S. mit Archivbildern der ehemaligen DDR. Gemeinsam mit der Dramaturgin Cornelia Klauss recherchierten sie im bis dahin unerschlossenen Filmarchiv der Gauck-Behörde. Hunderte von Film- und Tondokumenten wurden während der mehrjährigen Arbeit am Film gesichtet, zeitlich eingeordnet und ausgewertet. »Ein wesentliches Kriterium war dabei das Moment der Interaktion«, sagt Cornelia Klauss. »Der Vorgang des Filmens und die Anwesenheit der Aufnehmenden sollten in den Bildern erkennbar werden. Wir wollten die Vorgänge so gewissermaßen ›dekonspirieren‹.« Die Filmdramaturgie entstand im wesentlichen am Schneidetisch, in der Kombination und Montage des Archivmaterials mit dem Zeugenbericht, der mit Axel Prahl als Sprecher in den Räumen der ehemaligen Stasi-Zentrale aufgenommen wurde. »Wir wollten unseren Protagonisten mit jener Wirklichkeit konfrontieren, die er nicht sehen kann oder will«, meinen Sivan und Maurion. »Der Protagonist hat das Mißtrauen zum Dogma erklärt. Auf ähnliche Weise versuchen wir in unserer Dramaturgie, Zweifel im Bewußtsein der Zuschauer zu säen. Bin ich es, der zuschaut? Was will man mir zeigen? Wer hat diese Bilder aufgenommen und wann? Werde ich gefilmt?« Aus Liebe zum Volk gelingt die eindringliche Darstellung des Stasi-Alltags und seiner Überwindung. Über den historischen Kontext hinaus wird der Film auch zur hochaktuellen Erzählung über Macht und Ohnmacht von Bildern und die fatale Verwechslung von Überwachung und Erkenntnis.

Original Content Aus Liebe zum Volk bei Gütsel Online …

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