Foto: Brett Sayles
Von Christian Schröter, 22. Dezember 2022, Lesedauer 4 Minuten, 18 Sekunden
Gütersloh, Anne Frank Schule, Vortrag: Was hat mein Smartphone mit Kinderarbeit zu tun? 30. November 2022
Menschenrechtsverletzungen sind die hartnäckige Schattenseite unserer globalisieren #Wirtschaftsweise. #Kinderarbeit, #Hungerlöhne und mangelnder #Gesundheitsschutz sind nach wie vor an der Tagesordnung. In der Veranstaltung werden die menschenrechtsbezogenen Herausforderungen im globalen Markt hinsichtlich ihrer Ursachen und Formen sortieren und Lösungsansätze diskutiert.
Aus ethischer Sicht sind vor allem jene Menschenrechtsverstöße klärungsbedürftig, die in den Lieferketten und somit zumindest potenziell im Einflussbereich der europäischen Unternehmen stattfinden. Welche moralische Verantwortung hat das Unternehmen, Einfluss auf seine direkten und indirekten Zulieferer zu nehmen, um derartige Menschenrechtsverletzungen zu verhindern oder zu verringern? Macht sich das Unternehmen zum #Komplizen, wenn es derartige Rechtsverletzungen duldet? Diese Fragen werden unter Einbeziehung von ethischen Überlegungen zur Konsumentenverantwortung diskutiert.
Der Gütsel Kommentar: Das Ganze ist eine moralische Frage, keine ethische.
Letztlich will man das nun einmal alles sowieso nicht wissen und nicht wahrhaben. Und versteht auch nicht das Kernproblem. Das Kernproblem ist ein ganz anderes, nämlich der Kapitalismus. Und Kapitalismus ist nichts anderes als Gier, die durch Ausbeutung Dritter befriedigt wird und die grenzenlos ist. Das ist das Problem. Dass Kinder arbeiten, ist per se kein Problem – das tun sie auch in »Naturvölkern« (da stellt sich das natürlich eher als »Mithilfe« dar, in einem vertretbaren Rahmen). Aber sie werden als Arbeiter ausgebeutet – das ist des Pudels Kern.
Zum einen haben wir es mit dem »Mehrwertprinzip« zu tun (Marx). Der Arbeiter erwirtschaftet seinen eigenen Lohn. Außerdem erwirtschaftet er einen Mehrwert, den sich der Kapitalist ohne jegliche Gegenleistung aneignet. Das ist die wirtschaftliche Kategorie.
Zum anderen haben wir es mit dem »Verschwinden der Kindheit« zu tun (Neil Postman). Das ist die soziologische Kategorie. Früher einmal waren Kinder Kinder. Heute sind Kinder kleine Erwachsene.
Und das Smartphone ist mehrfach teuflisch. Zum einen ist es so gut und praktisch, dass es jeder haben will (jeder braucht es vermeintlich), also ist es ein ideales »Produkt« des Kapitalisten (um damit Geld zu verdienen und gleichzeitig Bedürfnisse der Breiten Masse zu wecken und auch gleich zu befriedigen) – andererseits zerstört es die Kultur, damit zerstört es die Kindheit, und damit ermöglicht es eben auch die Ausbeutung von Kindern, weil sie die billigsten und willfährigsten Arbeiter sind (die wiederum das Produkt lieben) – ein Teufelskreis. Und alle machen dabei mit. Weil das ja alles so toll ist.
Es gibt einen Ausweg, den aber niemand versteht und niemand will. Mit dem Fernsehen fing es an. Das zerstörerischste Medium überhaupt – und das Smartphone setzt noch einen drauf.
Es gibt nur ein Medium, das aktiv »konsumiert« wird (werden muss) – das gedruckte Wort, vor allem das Buch. Alle (!) anderen Medien werden passiv konsumiert. Lesen muss man lernen – alles andere nicht. Gucken, Hören, auf dem Handy rumdaddeln kann jeder. Das ist letztlich alles nur Unterhaltung (auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird – das ist eine Lüge). Die paar Worte auf dem Smartphone muss man natürlich auch lesen – geschenkt. Das lernt man ja heute teils schon im Kindergarten. Schreiben kann übrigens kaum noch jemand – wozu auch? Aber auf einem Smartphone liest ja kein Mensch ernsthaft Bücher. Und selbst wenn – das ist das falsche Medium zum ernsthaften Lesen, denn das Medium ist die Botschaft (siehe unten).
Das Fernsehen hat einen Diskurstyp etabliert (das Smartphone setzt noch einen drauf), der Logik, Vernunft, Folgerichtigkeit und Widerspruchslosigkeit preisgegeben hat. In der Ästhetik bezeichnet man das als »Dadaismus«, in der Philosophie als »Nihilismus«, in der Psychiatrie als »Schizophrenie« und in der Theatersprache als »Varieté«.
Der Ausweg ist konkret dieser: Smartphones sind erst ab 18 erlaubt, für Kinder verboten. Sämtliches Digitalzeug wird von den Schulen verbannt (bestenfalls gibt es einen Computerunterricht, in dem ein wenig Programmieren gelehrt und gelernt wird). Kinder müssen gedruckte Bücher lesen (aber keinen Scheiß wie Harry Potter) und es werden zwingend Schulbücher vorgeschrieben (aber nicht diese sinnlosen Massen, die üblich wurden).
Das wird aber wohl nicht passieren, weil alle Beteiligten es nicht verstehen und auch nicht verstehen wollen. Ausgerechnet der Beruf des Schriftsetzers wurde ja abgeschafft. Dümmer geht es gar nicht.
Und darüber kann man auch nicht diskutieren. Es gibt keinen Weg, Smartphones »vernünftig« einzusetzen. Warum? Weil das Medium die Botschaft ist (Marshall McLuhan). Egal, wie man es dreht und wendet – im Fernsehen und auf dem Smartphone ist alles Unterhaltung (im Fernsehen alles per se, auf dem Smartphone alles »Mediale« – von technischen Anwendungen rede ich hier nicht. Aber das ist eben gerade das Teuflische am Smartphone – es vermischt technische (sinnvolle) Anwendungen mit »Medialem« (also mit Unterhaltung) und verschleiert das Problem dadurch).
Übrigens funktioniert das ja umgekehrt ganz genauso. Der größte Müll kann als Buch gedruckt werden, und erringt damit einen ganz anderen Status. Denn das Medium ist eben die Botschaft. Es werden zwar so viele Bücher herausgebracht, wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Aber was für welche?
Früher wussten wenige viel über wenig. Heute weiß jeder nichts über alles.
Mittwoch, 30. November 2022, 19 Uhr, Anne Frank Gesamtschule, Mediothek, Eintritt 2 Euro