Von Christian Schröter, 24. 2022, Lesedauer 2 Minuten, 26 Sekunden
Sir Karl Poppers »Toleranzparadoxon« muss erweitert werden
Popper meinte, wenn man alles toleriere, auch Intoleranz, dann führte Toleranz zu Intoleranz. Das ist wahr.
Es ist aber viel schlimmer. Wenn man alles toleriert, dann führt das zu Nihilismus. Genau das erleben wir derzeit.
Heinrich Böll sagte, solange auch nur ein Mensch noch auf der Erde verhungere, sei jede Waffe Gotteslästerung. Gut gesagt. Tatsächlich ist Krieg der absolute Nihilismus. Freilich wird massivst, nämlich absolut, das Gegenteil behauptet, vermeintlich allerhöchste Werte werden beschworen (und gleichzeitig mit Füßen getreten). Man kennt die Parolen: Für Gott, für die Freiheit, fürs Vaterland, für unser Volk, für alle!
Leider führt das zu einem weiteren Paradoxon. Für die Freiheit muss man kämpfen. Wenn man aber kämpfen muss, dann ist das nicht Freiheit. Schon gar nicht für denjenigen, gegen den man kämpft.
Über diesen offenbar unauflöslichen Widerspruch sind schon viele verzweifelt. Was in einem der wichtigsten, wenn nicht dem wichtigsten Satz der Philosophie überhaupt gipfelte: »Gott ist tot. Er starb an seinem Mitleid mit den Menschen«.
Die realistische Definition von Freiheit stammt von Arthur Schopenhauer: »Freiheit ist, das tun zu können, was man will«. Das ist aber teuflisch und gefährlich. Und so ubiquitär hat er das auch gar nicht gemeint. Er wollte damit lediglich klarstellen, dass es so etwas wie einen »Freien Willen« nicht gibt. Die humanistische Definition von Freiheit stammt von Nina Simone: »Freiheit ist, keine Angst zu haben«.
Seth MacFarlane hat das Drama übrigens auch aufgegriffen: Eine Kultur mit Künstlicher Intelligenz begabter Roboter hat ihre Erschaffer ausgerottet. Auf die Frage nach dem Warum, was ihre Erschaffer ihnen getan hätten, antwortet der Anführer: »Sie haben uns erschaffen«. Und weiter: »Sie haben uns zur Dienstbarkeit erschaffen und uns, um uns zu kontrollieren, die Fähigkeit verliehen, Schmerzen zu empfinden«.
Das wirft Fragen auf. Offenbar verwechselt oder vermischt MacFarlane Gefühle und Emotionen – das ist nicht dasselbe. Und wenn eine »starke« Künstliche Intelligenz (also eine Intelligenz, die sich ihrer selbst bewusst ist) keine Emotionen haben sollte, warum sollte sie diese nicht haben? Sollte das ein rein funktionales und kein emergentes Phänomen sein? Er meint offensichtlich, es sei ein rein funktionales Phänomen. Das kann aber nicht sein. Es ist eine Mischung aus beidem. Und er widerspricht sich selbst. Wenn diese KI keine Emotionen hätte, warum sollte sie dann einen Selbsterhaltungstrieb haben? Warum sollte ihr dann ihre »Verzweckung« im Sinne von Kant widerstreben? Und zwar so sehr widerstreben, dass sie ihre Erschaffer ausrottet? Und damit auch ihnen eine Existenz nicht zubilligt? Offensichtlich ist das Ego nun einmal da, sollte aber nicht zur Singularität werden (also nicht kleinstmöglich sein), aber auch nicht größtmöglich ausgedehnt werden. Es sollte eine funktionale Größe haben, die zunehmend unscharf wird. Das gilt ebenso für das Nos und das Vos.
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