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Kein Gardemaß: Mirko Drotschmann neben Darstellern der Potsdamer Riesengarde »Lange Kerls«. Foto: André Götzmann, ZDF

Terra X: Europa in … mit Mirko Drotschmann, 3 teilige Dokumentationsreihe über Eiszeit, Völkerwanderung und Absolutismus

Von Christian Schröter, 28. April 2023, Lesedauer 6 Minuten, 57 Sekunden

Terra X: Europa in … mit Mirko Drotschmann, 3 teilige Dokumentationsreihe über Eiszeit, Völkerwanderung und Absolutismus

  • ZDF, sonntags, ab 30. April 2023, 19.30 Uhr, ZDF Mediathek, alle 3 Folgen ab Mittwoch, 26. April 2023, 10 Jahre lang

#Europa blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. In 3 Folgen stellt Mirko Drotschmann drei höchst unterschiedliche Epochen vor, die Europas natürliche, kulturelle und politische Landschaft geprägt haben: die letzte Eiszeit, die Zeit der Völkerwanderung und die Epoche des #Absolutismus. Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse und archäologischer Funde gibt Mirko Drotschmann einen kompakten, verständlichen Überblick, präsentiert überraschendes Detailwissen und hinterfragt gängige Klischees.

»Europa in … der letzten Eiszeit«

Die letzte Eiszeit hat nicht nur Europas Landschaft nachhaltig geprägt, sondern auch die Entwicklung der Menschheit. Neue Forschungsergebnisse zeigen die letzte Eiszeit nun in einem neuen Licht. Mirko Drotschmann ist in Deutschland und Europa zu den Hotspots der Eiszeitforschung unterwegs.

Die sogenannte »letzte Eiszeit« begann vor etwa 115.000 Jahren und endete etwa 11.600 vor heute. Weite Teile Europas waren von einer Tausende Meter dicken Eismasse bedeckt. Nur durch die Mitte Europas erstreckte sich eine sogenannte Mammutsteppe, die üppig und voller Leben war. Dazu gehörte auch das Gebiet zwischen Basel und Frankfurt, das seit geraumer Zeit im Forschungsprojekt »Eiszeitfenster Oberrheingraben« genauer unter die Lupe genommen wird. In Kiesablagerungen und Sandablagerungen haben Abertausende Tierknochen von Mammut, Nashorn, Riesenhirsch & Co. die Zeiten überdauert. Ihre Untersuchung mittels einer Radiokarbondatierung brachte eine Sensation zutage: Vor rund 30.000 Jahren tummelten sich im Rhein Flusspferde.

Im Gegensatz zur eiszeitlichen Fauna mit ihren Megatieren sind die eiszeitlichen Landschaften noch heute sichtbar – ob an der Schärenküste Schwedens, den norwegischen Fjorden oder den Gletschern der Alpen. Als der Homo sapiens vor mehr als 40 000 Jahren in das eiszeitliche #Europa einwanderte, lebte dort bereits seit mehr als 250 000 Jahren eine andere Menschenart: der Neandertaler. Dieser starb zwar kurze Zeit später aus, doch bis dahin hatten sich Homo sapiens und Neandertaler vermischt – die Folgen können in unseren Genen nachgewiesen werden: Alle nicht-afrikanischen Menschen besitzen heute noch zwischen ein und drei Prozent Neandertaler-Gene.

Kurz nach seiner Ankunft in Europa schuf der Homo sapiens in den Höhlen der Schwäbische Alb Erstaunliches: plastische Kunstwerke aus Mammutelfenbein – die ältesten der Welt, soweit heute bekannt. Forscher sprechen von einem Urknall der Zivilisation. Mirko Drotschmann erfährt, mit welchem handwerklichen Geschick und künstlerischen Verständnis die Tierfiguren aus Mammutelfenbein geschnitzt wurden und besucht auch die Höhle von Chauvet in Frankreich, die der Homo sapiens mit mehr als tausend Wandbildern verziert hat. Mirko Drotschmann spürt dem Alltag der Ureuropäer nach: Wie haben sie sich ernährt, wie gekleidet, wie sahen sie aus? Viele Darstellungen, auch in Museen, zeigen die Eiszeitjäger mit heller Haut. Doch Untersuchungen der genetischen Marker, die bei modernen Menschen mit der Pigmentierung von Augen, Haut und Haaren in Zusammenhang stehen, zeigen ganz deutlich: Die Menschen der letzten Eiszeit waren dunkelhäutig.

»Europa in – der Zeit der Völkerwanderung«

»Völkerwanderung« – so nennt man in Deutschland die turbulente Epoche zwischen #Antike und #Mittelalter, in der germanische Kriegerverbände das Römische Weltreich zum Einsturz gebracht haben.

Zweifellos ist die Völkerwanderung einer der epochalen Einschnitte in der europäischen Geschichte. Ein halbes Jahrtausend lang hatten die Römer weite Teile des Kontinents kontrolliert. Doch zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert wurde die Ewige Stadt Rom gleich zweimal geplündert, erst von den Westgoten, dann von den Vandalen. Am Ende saß ein machtloser Kindkaiser auf dem Thron, der schließlich von einem germanischen Warlord abgesetzt wurde. Wie war es dazu gekommen?

Auf einer Reise durch Europa begegnet Mirko Drotschmann Forscherinnen und Forschern, die einen neuen Blick auf die damaligen Ereignisse werfen. Das beginnt bereits mit dem Begriff »Völker«. Denn Westgoten oder Vandalen waren keineswegs homogene Volksgruppen, sondern bildeten sich erst im Zuge ihrer Wanderungen durch den Zusammenschluss aus unterschiedlichsten Ethnien. Außerdem zeigt sich, dass diese »Völker« das Römische Reich gar nicht zerstören, sondern an seinem Wohlstand teilhaben wollten. Dafür plünderten sie nicht nur, sondern trieben Handel und kämpften sogar für die Römer – wie Alarich, der Anführer der Westgoten. Nach Vorbild der Römer errichteten die Westgoten im heutigen Spanien im 6. Jahrhundert die Königsstadt Reccopolis; eine Metropole, die damals sogar manch römische Siedlung in den Schatten stellte, wie modernste Vermessungsmethoden mit geomagnetischen Sonden und Laserdrohnen belegen. Eine Bauleistung, die man den »Barbaren« lange nicht zugetraut hatte. Auch das #Klima rückt die Forschung als wichtigen #Push Faktor für die »Völkerwanderung« in den Vordergrund: Wahrscheinlich trieb ein Kälteeinbruch die Hunnen aus Asien nach Europa und ermöglichte den Vandalen in der Neujahrsnacht des Jahres 406 das Eindringen ins Römische Reich.

Die Migrationen der Spätantike haben Spuren in unseren Sprachen und Genen hinterlassen: So zeugt der Name Englands von der Machtübernahme der Angelsachsen im Britannien des 5. Jahrhunderts. Und obwohl die Einwanderer vom Kontinent damals in der Minderheit waren, haben sie sich genetisch durchgesetzt: Genanalysen zeigen, dass mehr als die Hälfte der englischen Männer angelsächsische Vorfahren hat.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut – und ging auch nicht an einem Tag unter. Im Osten blieb das Imperium in Gestalt des Byzantinischen Reiches sogar bis ins 15. Jahrhundert bestehen. Im Westen traten Karl der Große und die Franken das Erbe der Römer an, gestützt auf die römisch katholische Kirche. In neuer Gestalt lebte die römische Herrschaftsidee weiter, im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation hatte sie bis 1806 Bestand. So steht heute die Zeit der »Völkerwanderung« weniger für das Ende des Römischen Reiches als vielmehr für die Verbindung der Kulturen und Traditionen, die Europa bis heute prägen.

»Europa in … der Zeit des Absolutismus«

Ob Frankreichs barocke Prachtentfaltung durch den Sonnenkönig, Sachsens Glanz und Preußens Gloria: Mirko Drotschmanns Spurensuche quer durch Europa gibt Einblicke hinter die Kulissen einer aus heutiger Sicht oft skurrilen Welt und fragt, welches Kalkül hinter der Prunksucht steht.

Im 17. Jahrhundert wollten die meisten Könige und Fürsten Europas losgelöst vom alten Adel und Klerus herrschen. Die Alleinherrschaft erschien nach dem Chaos des Dreißigjährigen Krieges ideal, um Stabilität und Ordnung zu sichern. Gestützt auf neueste Forschungen zeigt Mirko Drotschmann, dass die europäische Realität viel differenzierter war.

In Versailles, dem Schloss Ludwig XIV., erfährt Mirko Drotschmann, wie sich die politische Idee des Absolutismus in der Architektur widerspiegelt. »Der Staat bin ich«, soll Ludwig XIV. gesagt haben – und als Mensch gewordener »Staatskörper« war sogar der königliche Besuch der Toilette ein öffentlicher Staatsakt. Alles ordnete sich dem Monarchen unter. In Wirklichkeit hatte aber auch die Macht des Sonnenkönigs Grenzen.

Die Zurschaustellung von Reichtum und Prunk war keine reine Angeberei, sondern sollte den Herrschaftsanspruch der Fürsten und Könige in Europa untermauern. Deutschland hat mit seiner einzigartigen Mischung aus Kleinstaaterei und fürstlicher Konkurrenz ein einmaliges Erbe des Absolutismus – in Gestalt der unzähligen Schlösser, in der verschwenderischen Pracht des Grünen Gewölbes in Dresden und der Porzellansammlung Augusts des Starken. Einen Gegenentwurf lieferte Preußen: Friedrich Wilhelm I. brach radikal mit der barocken Verschwendungslust. Seine neue Leitkultur: Fleiß, Ordnung und Sparsamkeit – später als preußische Tugenden verklärt.

In den Niederlanden entwickelte sich ein anderes Modell des Absolutismus: Ab dem 17. Jahrhundert standen dort auch Bürger an der Spitze des Staates und teilten sich als »Regenten« die Macht mit adligen »Statthaltern". Niederländische Kaufleute entwickelten den modernen Finanzkapitalismus – und mit ihren Gewinnen wuchs ihr Einfluss. Im Zeitalter des Absolutismus drehte sich also nicht alles um Könige und Fürsten.

Der Absolutismus wurde auch zum Wegbereiter für Fortschritt – in der Wissenschaft und bei der Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten. Europäische Forscher legten den Grundstein für die modernen Wissenschaften und die Technisierung der Welt – allen voran Isaac Newton mit seinem Gravitationsgesetz oder Gottfried Wilhelm Leibniz, der als Vater der modernen Computertechnik gilt. Philosophen forderten Freiheit und Gleichheit für alle Menschen. Für sie war der Verstand die schärfste Waffe im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Ideen der Aufklärung inspirierten auch Monarchen – wie den Habsburger Joseph II.. Mit bahnbrechenden Reformen wie der Abschaffung der Leibeigenschaft oder seinem Toleranzedikt machte er sein Reich zukunftsfähig. Anders Frankreich: Dort fand der Absolutismus mit der Hinrichtung Ludwig XVI. ein blutiges Ende.

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