Kisha (Thelma Buabeng). Foto: Diara Sow, ZDF
Von Christian Schröter, 2. November 2023, Lesedauer 5 Minuten, 41 Sekunden
»Clashing Differences«, Spielfilm und Serie aus der Redaktion »Das kleine #Fernsehspiel«
ZDF, Montag, 9. Oktober 2023, 0.20 Uhr im #ZDF (Spielfilm)
ZDF #Mediathek, ab Freitag, 6. Oktober 2023, 10 Uhr (Spielfilm und Serie)
Mainz, 2. Oktober 2023
»Clashing Differences«, die satirische Serie, die auch als Spielfilm gesendet wird, entführt die #Zuschauer mit einem humorvollen und teilweise ironischen Blick in die Welt feministisch aktiver Personen.
Das geplante Panel des Vereins »House of Womxn« auf der internationalen Frauenkonferenz steht auf dem Spiel. Die Konferenzleitung hat sich gemeldet: Ihr Panel ist »zu weiß«. Sofern sie nicht schnell diverser besetzen können, wird ihr Panel gecancelt. Ihre Einladungsliste muss schnellstmöglich an die Diversity Checkliste angepasst werden: Sie brauchen eine schwarze Frau – vielleicht sogar zwei. Nicht zu vergessen queere Personen, Personen mit #Behinderung und noch ein paar Women of Color. Die neu eingeladenen, natürlich sehr unterschiedlichen Frauen und eine nicht binäre Kameraperson, müssen nicht nur einen Tag und eine Nacht in dem abgelegenen Vereinshaus in Brandenburg verbringen, sondern sollen auch noch ein gemeinsames Manifest verfassen. Es dauert nicht lange, bis sich die queer feministische Gruppe in einer beängstigenden Get out Situation wiederfindet, in der tagsüber ihre politischen Differenzen aufeinanderprallen und nachts ungebetene Gäste vor der Tür stehen.
»Clashing Differences« ist aus einer akuten Dringlichkeit entstanden. Der Dringlichkeit, unsere Geschichten und Perspektiven selbstbestimmt erzählen zu können. Die erste Drehbuchfassung schrieb ich nach der Ermordung von George Floyd und der weltweiten Proteste der Black Lives Matter Bewegung. Ich schrieb es mit zitternden Händen, schmerzender Wut im Bauch und einem Gefühl der Ohnmacht. Ich wollte etwas Lautes, Kraftvolles und Bestärkendes schaffen, das all meine Gefühle sichtbar und meine inneren Stimmen hörbar macht. Mit jeder Zeile holte ich mir ein Stück Selbstbestimmtheit, aber auch Hoffnung zurück. Mit dem Bewusstsein, dass ich diese Gefühle mit Millionen von Menschen weltweit teilte, schrieb ich irgendwann nicht mehr nur für mich allein.
In »Clashing Differences« verarbeite ich auf der äußeren Ebene meine jahrelange Erfahrung mit Vereinen, politischem Engagement und sogenannten Diversity Panels in der Filmbranche. Die Figuren Kisha, Flora, Cena, Simone und Sus müssen als Token, also bloße Vorzeigeschablonen, herhalten, damit der Verein House of Womxn sein Image verbessern kann. Die Motivationen der drei weißen Vereinsfrauen sind unterschiedlich. Jedoch wollen sie alle das Problem mit einer schnellen und einfachen Lösung aus der Welt schaffen, um ihr eigenes Ziel zu erreichen. Aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht: Sie bieten ihren geladenen Personen eine Bühne, die sie gar nicht haben wollen. Eine Bühne, auf der sie eine Lösung für Diskriminierung aller Art finden sollen, die aber bitte auch einfach, schnell und kostengünstig umsetzbar ist.
Noch mehr werden sie als #Experten in Fragen #Diversität verstanden, obwohl ihre eigentliche Expertise in ihren beruflichen Tätigkeiten liegen könnte. Sie alle haben unterschiedliche Wissensstände und manche von ihnen kennen sich in den Diversitätsdebatten auch gar nicht gut aus oder lehnen sie ab.
Mithilfe der unterschiedlichen Figuren war es mir möglich, einen inneren und vielstimmigen Dialog und meine unterschiedlichen Haltungen zu diesem Thema sichtbar zu machen. Wie weit die Extreme dieser Haltungen auseinandergehen, wird durch den wiederkehrenden Konflikt zwischen Flora und Çena sichtbar. Flora setzt auf den sich schier endlos wiederholenden Dialog und die Aufklärung, mit der hoffnungsvollen Sehnsucht, dass ihr gegenüber sie irgendwann verstehen möge. Dagegen hat Çena keine Lust mehr zu reden. Sie geht den Weg des aktiven Widerstands, will das Panel boykottieren und erst Ruhe geben, wenn das komplette Patriarchat zerstört ist. Statt ihre unterschiedlichen Ansätze zu akzeptieren, wollen sie sich unermüdlich vom Gegenteil überzeugen und reiben sich so aneinander auf. »Clashing Differences« spricht damit ein zutiefst menschliches Bedürfnis an: Wir wollen verstanden werden und uns zugehörig fühlen. Damit einher kommt die Trauer und schließlich die Wut, wenn wir feststellen, dass wir ungleich bewertet und behandelt werden, wir nicht dieselben Rechte und Privilegien haben. Doch Wut hat in unserer Gesellschaft kein gutes Image. Besonders, wenn es um nicht männliche Personen geht. Mit »Clashing Differences« sage ich: Mut zur Wut. Denn Wut kann Veränderung und Wandel hervorbringen. Aber wütend sein, will gelernt sein. Dafür bietet »Clashing Differences« eine praktische, für manche ungewohnte, Hilfestellung an, die Trauma und (Selbst )Zerstörung verhindern kann.
In der Figurenentwicklung wollte ich mich nicht an den vorherrschenden Vorurteilen und Stereotypen abarbeiten, indem ich perfektionierte und vollkommen politisch korrekte Gegenbeispiele zeichne. Ich habe mich auf ihre Menschlichkeit konzentriert. Sie kämpfen mit alltäglichen Problemen, sind widersprüchlich und manchmal fehlbar. Sie bringen unterschiedliche Themen mit, in der sich eine breite Gesellschaft wiederfinden kann: Liebe, Eifersucht, Beziehungskonflikte, Erziehungsfragen, Mutter Tochter Konflikt, Generationskonflikte, Konkurrenz, Identitätsfragen, die Überforderung mit den Erwartungen von außen und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.
Besonders in der ersten Hälfte bietet »Clashing Differences« viele humorvolle Momente und bringt uns zum Lachen. Doch »Clashing Differences« ist und bleibt eine bittersüße Satire, deren ernsthafter Kern uns immer wieder beim Lachen im Halse stecken zu bleiben droht. Mit der zweiten Hälfte erinnert »Clashing Differences« an seine Ernsthaftigkeit. Die Figuren verschaffen sich zunehmend Raum, in dem sie vermehrt die vierte Wand brechen und direkt zu uns in die Kamera sprechen. Indem die Verletzungen und Bedrohungen essentieller und der alltägliche Horror von Diskriminierung sichtbarer wird, entwickelt sich »Clashing Differences« zu einem queer feministischen Get out Film. Dabei war mir wichtig zu markieren, dass eine Bedrohung von außen noch lange keine Einheit generiert; wir sind uns oft nicht einig, wie wir mit dieser Bedrohung umgehen sollen und wie viel Aufmerksamkeit wir ihr schenken müssen. Einer Bedrohung, die uns immer wieder von unseren eigentlichen Zielen und Bedürfnissen abzulenken droht. Deswegen habe ich mich auch hier für ein anderes Mittel entschieden, das die Figuren auf eine viel essentiellere Art miteinander verbindet, ohne ihre eigenen Perspektiven und Haltungen aufgeben zu müssen. Ganz nach dem Zitat von Audre Lorde: »It is not our differences that divide us. It is our inability to recognize, accept, and celebrate those differences.«
Ich bin seit 15 Jahren beim Film und habe meine Erfahrungen an kleinen wie auch großen Produktionen in unterschiedlichen Departments gemacht. Aufgrund meiner Erfahrung und Beobachtung von hierarchischen Strukturen, die Machtmissbrauch an Filmsets begünstigen, habe ich speziell für dieses Projekt ein Herstellungskonzept für antidiskriminierendes und inklusives Produzieren entwickelt. Es fängt beim Drehbuchschreiben und der Figurenentwicklung an, zieht sich durch den Castingprozess, die Teambesetzung, die Drehbedingungen und endet bei der Auswertung und Veröffentlichung.
Das Konzept mit Erfahrungsberichten, Tipps und einer wissenschaftlichen Analyse soll in naher Zukunft veröffentlicht und für Interessierte zugänglich gemacht werden.
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