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Von Christian Schröter, 19. November 2023, Lesedauer 8 Minuten, 57 Sekunden
Gütsel Lesertelefon: Nachbereitung Sprechzeit »Welt Osteoporose Tag 2023« vom 19. Oktober 2023
Bei der Behandlung der #Osteoporose klafft in #Deutschland eine große Lücke. Viele Betroffene erhalten nicht die medizinische Behandlung, die erforderlich und möglich wäre. Die Folge: Die Osteoporose kann unerkannt so weit fortschreiten, dass es zu Knochenbrüchen kommt, die Lebenserwartung, Lebensqualität und Mobilität drastisch einschränken können. Wer besonders betroffen ist und wie man eine Osteoporose rechtzeitig feststellen und behandeln kann, dazu informierten Experten anlässlich des diesjährigen Welt Osteoporose Tags. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie erfahre ich, ob ich ein erhöhtes Risiko für Osteoporose habe?
Dr. med. Daniel Dobbert: »Indem Ihr Arzt eine individuelle Risikoeinschätzung vornimmt. Dazu gehört eine vollständige #Anamnese einschließlich Ihrer Vorerkrankungen und etwaiger Knochenbrüche, die Sie bereits erlitten haben. Ergibt die Einschätzung ein erhöhtes oder unklares Risiko, sollte eine Knochendichtemessung #Klarheit schaffen.«
Warum sind #Frauen so viel häufiger betroffen?
Dr. med. Ina Feist Pagenstert: »Weil es einen engen Zusammenhang zwischen Menopause und Knochenstoffwechsel gibt: Während der Wechseljahre stellen die Eierstöcke die Produktion von #Östrogenen allmählich ein. Dadurch nimmt im Knochen die Aktivität an Osteoklasten zu – das sind Zellen, die #Knochensubstanz abbauen. Die Folge: Es wird mehr Knochensubstanz ab als aufgebaut. Die Knochendichte kann sich so weit verringern, dass eine Osteoporose vorliegt. Übrigens sind auch Männer von hormonellen Veränderungen – Stichwort #Testosteron – betroffen.«
Wie häufig kommt Osteoporose bei Männern vor?
Dr. med. Friederike Thomasius: »Sehr häufig: Jeder dritte Hüftbruch tritt bei Männern auf, Tendenz steigend. Grund dafür ist, dass die Anzahl von Männern über 60 Jahre aufgrund der immer höheren Lebenserwartung deutlich angestiegen ist. Und das Bruchrisiko steigt eben mit dem Alter an. Hinzu kommt, dass Männer noch seltener als Frauen eine Osteoporosetherapie erhalten. Deshalb sind sie nach einem Bruch besonders gefährdet, weitere Brüche zu erleiden.«
Welche Rolle spielt die #Ernährung?
Prof. Dr. med. habil. Hans Christof Schober: »Für eine die #Gesundheit erhaltende Ernährung ist eine ausgewogene Aufnahme von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß sowie von Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen unerlässlich. Ein Mangel an Kalzium oder Eiweiß beispielsweise erhöht das Risiko für Frakturen. Bei Kalzium empfiehlt die neue Leitlinie eine Zufuhr von etwa 1.000 mg täglich, am besten über die Nahrung. Bei Eiweiß gilt es eine tägliche Aufnahme von 1,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht zu erreichen. Besonders bei älteren Patienten kann die Aufnahme von Kalzium, Eiweiß und eine Gabe von Vitamin D das Auftreten von Schenkelhalsfrakturen vermindern. Eine rein vegane Ernährung ist hingegen mit einem höheren Risiko für Frakturen assoziiert.
Wie lässt sich eine Osteoporose sicher erkennen?
Dr. med. Christiane Karrenberg: »Vor allem durch eine gründliche Anamnese in einem ausführlichen Gespräch zwischen Patient und behandelndem #Arzt. Neben dem Alter spielen #Vorerkrankungen, #Knochenbrüche in der Vergangenheit, Sturzneigungen und die Begleitmedikation eine wesentliche Rolle. Anhand dieser Ergebnisse lässt sich schon sehr gut eine Risikoabschätzung treffen. Liegt eine Risikokonstellation vor, empfehle ich eine Knochendichtemessung mit der DXA Methode zur Diagnosesicherung. Die neue Leitlinie DVO von 2023 formuliert es eindeutig: Die Diagnose einer Osteoporose stützt sich auf eine niedrige Knochendichte als messbaren Faktor einer Osteoporose. Die Messergebnisse sind mit dem Frakturrisiko assoziiert.
Wie finde ich eine Praxis, die eine Knochendichtemessung durchführt?
Dr. Thorsten Freikamp: »Die Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen im jeweiligen Bundesland geben Auskunft darüber, in welchen Praxen die Möglichkeit besteht, eine DXA Messung zur Bestimmung der Knochendichte durchführen zu lassen. Für Patienten mit einem ersten osteoporotisch bedingten Knochenbruch, mit einem erhöhten Osteoporoserisiko oder mit einer Osteoporose als Folge einer anderen Erkrankung ist die Knochendichtemessung Kassenleistung. Dies gilt aber nur für solche DXA Messgeräte, die dafür zugelassen sind. Sollte dies im Einzelfall bei ihrem Arzt nicht zutreffen, so erhalten sie von ihm die Information, wo sich die nächstgelegene Praxis mit einem zugelassenen Gerät befindet.«
Wann und für wen macht eine Knochendichtemessung Sinn?
Dr. med. Ortrun Stenglein Gröschel: »Es gibt eine Vielzahl von Indikationen für eine Knochendichtemessung, darunter eine Reihe chronischer Erkrankungen, ein erhöhtes Sturzrisiko sowie die Einnahme bestimmter #Medikamente, die Einfluss auf den Knochenstoffwechsel haben können. Auch wenn es bereits zu Knochenbrüchen gekommen ist, die auf geschwächte Knochen zurückzuführen sein könnten, sollte die Untersuchung verordnet werden. Die wichtigsten Faktoren sind jedoch Alter und Geschlecht. Da Frauen wegen des Östrogenverlustes in der Menopause besonders gefährdet sind, kläre ich das individuelle Risiko meiner Patientinnen mittels eines Fragebogens ab – in der Regel nach dem 50. Lebensjahr. Ist das Risiko erhöht oder gab es einen Knochenbruch nach 50, empfehle ich eine Knochendichtemessung.«
Wie verläuft die Untersuchung und wer trägt die Kosten?
Dr. med. Daniel Dobbert: »Bei der Knochendichtemessung handelt es sich um eine ambulante, schmerzfreie Röntgenuntersuchung mit geringer Strahlenbelastung. Sie bildet zusammen mit der Anamnese, dem klinischen Befund und einem Basislabor die so genannte Basisdiagnostik. Die Kosten für die Knochendichtemessung werden von der Krankenversicherung übernommen, wenn aufgrund der Anamnese ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose besteht.«
Wie ist der T Score als Messwert zu verstehen?
Prof. Dr. med. habil. Hans Christof Schober: »Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um einen Vergleich mit einem Normwert, der sich aus einer großen Zahl an Ergebnissen von Knochendichte messungen bei Frauen und Männern verschiedenen Alters ergibt. Der gemessene T Score zeigt, wie weit das Ergebnis des Patienten/der Patientin von diesem Normwert abweicht. Die WHO gibt einen T Score von minus 2,5 an, ab dem ein Frakturrisiko vorliegt. In der neuen Leitlinie des Dachverbandes Osteologie ist der T Score einer von vielen Risikofaktoren, der immer im Zusammenhang mit weiteren Faktoren bewertet werden muss.«
Wie geht es weiter, wenn die #Diagnose gesichert ist?
Dr. med. Friederike Thomasius: »Ist die Diagnose gesichert, so ist eine Osteoporosetherapie einzuleiten. Die neuen Leitlinien helfen, das richtige Medikament für Osteoporose Patientinnen und 
 Patienten zu finden. Ziel ist eine an das Bruchrisiko angepasste Therapie: Je höher das Bruchrisiko, desto intensiver muss die Therapie sein, damit es schnell und stark gesenkt wird. Eine medikamentöse Therapie muss mit Basismaßnahmen kombiniert werden, also eine ausreichende Aufnahme von Kalzium durch die Ernährung, Vitamin D als Supplement und Muskelaufbautraining. Eine Kontrolle der Knochendichte ist im Verlauf empfohlen.«
Kann man Osteoporose stoppen?
Dr. med. Christiane Karrenberg: »Osteoporose ist eine chronische systemische Skeletterkrankung, die eine generell niedrige Knochenmasse und eine mikroarchitektonische Verschlechterung des Knochengewebes aufweist. Sie muss meist über mehrere Jahre, manchmal auch lebenslang, therapiert werden. Die Behandlung zielt darauf ab, Knochenbrüche und deren schlimme Folgen für die Betroffenen zu vermeiden und eine weitere Verschlechterung der Knochendichte zu verhindern. Stoppen im Sinne einer Heilung lässt sich eine Osteoporose nicht, aber ihr Fortschreiten und die damit verbundenen Folgen lassen sich aufhalten.«
Muss ich #Medikamente dauerhaft einnehmen?
Dr. med. Ortrun Stenglein Gröschel: »Es kommt auf die jeweils eingesetzten Medikamente an. Bisphosphonate werden in der Regel drei bis fünf Jahre verabreicht. Dann kann nach einer erneuten Knochendichte Messung über eine Einnahme Pause entschieden werden oder die Umstellung auf ein anderes Medikament erfolgen. Auch in den Pausen sollten Kontrollmessungen der Knochendichte durchgeführt werden.«
Was kann ich tun, um mein Osteoporoserisiko generell zu senken?
Dr. med. Ina Feist Pagenstert: »Das Osteoporose #Risiko hängt mit einer Reihe von Lebensstil Faktoren zusammen: Eine gesunde Ernährung und Lebensweise, der Verzicht auf #Nikotin und übermäßigen #Alkoholkonsum senken das Risiko. Wichtig ist vor allem eine kalziumreiche Ernährung und die Vermeidung eines Vitamin D Mangels. Körperlicher Aktivität kommt eine Schlüsselrolle zu: Mindestens dreimal pro Woche sollten Sie für je 30 Minuten Kraft, Ausdauer und Kondition verbessern. Dabei geht es nicht um Leistungssport, sondern um Aktivitäten, die Ihren Möglichkeiten entsprechen, zum Beispiel Spazierengehen oder Walking, Gleichgewichtsübungen oder Muskelkrafttraining mit oder ohne Geräte. Es gibt zudem spezielle Angebote wie Osteoporose Gymnastikgruppen.«
Was ist besonders an einem Funktionstraining für Menschen mit Osteoporose?
Dr. Thorsten Freikamp: »Funktionstraining ist ein bewegungstherapeutisches Therapiekonzept, dass mit Mitteln der Krankengymnastik und Ergotherapie auf die Gesunderhaltung und Verbesserung der Körperfunktionen abzielt. Es ist für Osteoporose Betroffene von besonderer Bedeutung, da die Bewegung neben der Ernährung zu den basistherapeutischen Behandlungsmaßnahmen zählt. Durch spezielle Übungen in Form von Trocken oder Wassergymnastik unter der Leitung hierfür ausgebildeter Therapeuten wird der Knochenaufbau gefördert, die Muskulatur aufgebaut und das Gleichgewicht geschult, um Stürze und Knochenbrüche zu vermeiden.«
Werden die Kosten dafür von meiner #Krankenkasse übernommen?
Dr. Thorsten Freikamp: »Die Kosten für die Durchführung des Funktionstrainings werden nach ärztlicher Verordnung zunächst für die Dauer von 24 Monaten von den Krankenkassen übernommen. Weitere Verordnungen über diesen Zeitraum hinaus sind möglich, wenn die betroffene Person auch weiterhin auf ein Gruppentraining unter Anleitung eines speziell qualifizierten #Therapeuten angewiesen ist und dies vom behandelnden Arzt entsprechend bestätigt wird. Der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose bietet in seinen rund 270 Selbsthilfegruppen bundesweit Funktionstraining in Form von Trocken und Wassergymnastik an«, mehr …
Wie sieht die Behandlung aus, wenn es zu einem osteoporotischen Knochenbruch kommt?
Dr. med. Daniel Dobbert: »Vor allem kommt es darauf an, dass der Knochenbruch auch mit einer vorliegenden Osteoporose in Zusammenhang gebracht wird! Noch immer werden in Deutschland längst nicht alle osteoporotischen Frakturen als solche erkannt. Neben der Akutversorgung sollte schnellstmöglich mit einer spezifischen Osteoporosetherapie auf Grundlage der aktuellen Leitlinien begonnen werden. Dafür stehen verschiedene Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung.«
Weitere Informationen
Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose, mehr …
Wissenschaftlicher Dachverband Osteologie, mehr …
UCB Cares, mehr …
Die Expertinnen und Experten in der Sprechzeit
Dr. med. Daniel Dobbert, Niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie und Fachgebundene Radiologie Skelett, Dessau
Dr. med. Isa Feist Pagenstert, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Osteologin DVO, Oberärztin, Leitung Osteologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Orthopädie, Muskuloskelettales Universitätszentrum München, Klinikum der Ludwig Maximilians Universität (LMU), München
Dr. Thorsten Freikamp, Geschäftsführer des Bundesselbsthilfeverbands für Osteoporose, #Düsseldorf
Dr. med. Christiane Karrenberg, Niedergelassene Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Osteologin DVO, #Sportmedizin, #Chirotherapie, #Akupunktur, Osteologisches Schwerpunktzentrum DVO, Rösrath
Prof. Dr. med. habil. Hans Christof Schober, Facharzt für Innere #Medizin, #Endokrinologie, Osteologe DVO, Ernährungsmedizin, Wolgast
Dr. med. Ortrun Stenglein Gröschel, Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin, Osteologin DVO, Orthopädie im Reichsgraf, Ambulantes osteologisches Schwerpunktzentrum DVO, Coburg
Dr. med. Friederike Thomasius, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Osteologie, Vorsitzende der Leitlinienkommission Osteoporose des DVO (Dachverband Osteologie), Leiterin Klinische Osteologie am Frankfurter Hormon und Osteoporosezentrum, Frankfurt am Main