Foto: Istock, Mutismus Beratungs Zentrum (MBZ)
Von Christian Schröter, 27. November 2023, Lesedauer 3 Minuten, 58 Sekunden
Wenn die Angst zum Problem wird – Mutismus bei Schulanfängern
Starnberg, 26. Oktober 2023
Heute ist Lenas großer Tag: Der 1. #Schultag. Eltern und Großeltern freuen sich mit ihr auf das große Ereignis. Obwohl Lena bei der Schuleignungsuntersuchung nicht gesprochen hat und auch nicht aktiv mitmachte, haben die #Eltern sie in einer #Regelschule angemeldet. Die dortigen Pädagogen versicherten den Eltern, dass sie mit Lenas mutistischem Verhalten umgehen können.
Lena geht mit ihren Eltern in das Klassenzimmer, setzt sich auf den ihr zugewiesenen Platz und die Eltern bleiben im Hintergrund. Sofort verändert sich Lenas Gesicht: sie zeigt eine erstarrte #Mimik und als die Lehrerin sie anspricht, zieht sie die Schultern hoch und schweigt. So verläuft der erste Schultag und es werden noch viele weitere folgen, in denen Lena nicht spricht.
Die #Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert in der ICD 11, dem Internationalen Klassifikationssystem der #Krankheiten, #Mutismus als eine psychosoziale Angststörung, die in der Kindheit oder Jugend beginnt. Manche der Kinder sprechen ausschließlich mit ihren Eltern und Geschwistern und mit ausgewählten Personen, aber nicht in fremder Umgebung.
Kinder, die unter selektivem Mutismus leiden, sind in bestimmten Situationen unfähig zu sprechen, obwohl sie sprechen können. Mädchen sind davon häufiger betroffen als Jungen. »Es ist wichtig zu wissen, dass es sich um eine Angststörung handelt«, betont Irmgard Emmerling, systemische Familientherapeutin und Leiterin des Mutismus Beratungszentrums in Starnberg. »Eine Schuleingangsuntersuchung durch eine unbekannte Person erzeugt #Angst, die es einem mutistischen Kind so gut wie unmöglich macht zu sprechen«, beschreibt Frau Emmerling das kindliche Dilemma.
Obwohl fast alle Menschen Ängstlichkeit und Schüchternheit in sozialen Situationen kennen, nimmt bei Mutisten die Angst ein Ausmaß an, das mit erheblichen Leiden und massiven Beeinträchtigungen verbunden ist. Lena gelingt es nicht, im Schulalltag das Pausenbrot zu essen oder zu trinken. Sie geht in der Schule nicht auf die #Toilette und sie »mag« auch nicht turnen. In diesen s.g. Leistungssituationen zum Beispiel #Essen, #Trinken, #Turnen verweigert Lena die Kooperation und Interaktion mit anderen Personen.
Der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte und die #WHO raten Eltern, einen Kinder und Jugendarzt aufzusuchen, wenn ihr Kind länger als vier bis sechs Wochen außerhalb der Familie nicht spricht.
Eltern erkennen häufig die Sprachlosigkeit ihres Kindes nicht, denn im häuslichen Umfeld spricht ihr Kind. Aussagen von Pädagogen: »Ihr Kind spricht nicht mit uns«, empfinden Eltern häufig als irritierend, denn daheim sprechen sie, fast zu viel und zeigen auch keine Hemmungen ihre Wünsche durchzusetzen. So war es auch bei Lena.
Im Durchschnitt vergehen bis zu 5 Jahre von den ersten Anzeichen bis zur #Diagnose »Mutismus« (Prof. Dr. Steinhauser, KJPD Zürich). Wertvolle Zeit verstreicht!
Wird das Kind im Kindergarten und in den ersten Schuljahren eventuell noch wohlwollend von Klassenkameraden und Pädagogen unterstützt, beginnen in den höheren Schulen die Probleme zuzunehmen. Durch ihr mutistisches Verhalten sind sie bereits in einer besonderen Außenseiterposition, die sich mit dem Beginn der #Pubertät noch verschärft. Jugendliche, die an Mutismus leiden, entwickeln häufig Depressionen, Schul und #Sozialängste bis hin zur #Schulverweigerung.
Eine rechtzeitige Therapie kann einem chronischen Verlauf entgegenwirken. Die Unwissenheit des Umfeldes, der Ärzte und der Pädagogen sowie das häufige Vertrösten »Das wächst sich noch aus« hemmen häufig die Aktivitäten der besorgten Eltern, denn sie vertrauen darauf, dass Fachpersonen mehr Wissen haben als sie selbst.
Mutismus ist weder eine Kommunikationsstörung noch eine Sprachstörung, sondern eine Angststörung. Aus diesem Grund sollte die Ausrichtung der Therapie auf Psychotherapie liegen. Von einer rein logopädischen oder ergotherapeutischen Behandlung ist abzuraten. Prof. Manfred Döpfner, Leitender Psychologe der Kinder und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik Köln, weist eindrücklich darauf hin: »Ist in einem Therapiezeitraum von sechs Monaten keine deutliche Verbesserung erreicht worden, sollte die Therapieform gewechselt werden.«
Die #Therapie ist dann erfolgreich, wenn das Kind außerhalb der Familie in den vormals angstbesetzten Situationen spricht.
Die Unwissenheit des Umfeldes, der Ärzte und der Pädagogen veranlassten Frau Emmerling 2007 das Mutismus Beratungs Zentrum (MBZ) zu gründen. Sie ist Eltern auf der Suche nach fundierter Beratung, rascher #Diagnostik und wirksamer #Therapie ein gutes Gegenüber. Das MBZ schließt eine Lücke in der kostenlosen Beratung bei selektivem oder totalem #Mutismus und dies seit 16 Jahren.
Frau Emmerling berät ehrenamtlich und kostenlos jeden Montag und Mittwoch in der Zeit von 10 bis 12 Uhr unter der Rufnummer +494981515564150.
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