Von Christian Schröter, 13. Februar 2024, Lesedauer 3 Minuten, 0 Sekunden
Nordrhein westfälischer #Philologenverband: »Teilzeit bei Lehrkräften ist häufig ein Akt der #Notwehr«
Quote liegt in Bund und Land laut Statistik bei 42,3 Prozent
Weniger Teilzeit kann zu höheren Krankenständen führen
Beruf wird zunehmend unattraktiver für junge Menschen
Düsseldorf, 12 Januar 2024
Gestern hat das Statistische Bundesamt (#Destatis) die Quote der #Lehrer bekanntgegeben, die im Schuljahr 2022/23 in Teilzeit beschäftigt waren. Demnach sind es in Nordrhein Westfalen 42,3 Prozent – genau so viele wie im Bundesschnitt. Im Vergleich zum Schuljahr zuvor (2021/22) ist der Anteil der Teilzeitlehrkräfte damit um 2,3 Prozent angestiegen. Bundesweit ist die Teilzeitquote in Hamburg mit 54,4 Prozent am höchsten, Thüringen kommt mit 21,1 Prozent auf den niedrigsten Wert.
»Diese Zahlen überraschen uns nicht«, sagt Sabine Mistler, Vorsitzende des nordrhein westfälischen Philologenverbandes (PhV NRW), »dennoch betrachten wir sie mit großer Sorge.« Richtig sei zwar, dass die vergleichsweise hohe Teilzeitquote unter Lehrerinnen und Lehrern mit dem hohem #Frauenanteil in diesem Beruf korrespondiere – im Bundesschnitt arbeiten laut Destatis fast doppelt so viele Frauen wie #Männer in Teilzeit –, als alleinige Erklärung greife dies allerdings zu kurz. »Viele unserer Kolleginnen und Kollegen sind am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angekommen. Sie können einfach nicht mehr und flüchten sich regelrecht in die Teilzeit. Für viele Lehrkräfte ist Teilzeit häufig ein Akt der Notwehr geworden«, sagt Mistler.
Der stark gewachsene Anteil an zusätzlichen, häufig unterrichtsfernen Aufgaben sorgt dafür, dass immer weniger Zeit für eine angemessene Unterrichtsvorbereitung, Nachbereitung, aber auch Freiräume für den individuellen Austausch mit den #Schülern bleibt. Hinzu kommen übervolle Klassen, die Belastungen durch den #Digitalisierungsprozess und häufig auch Erziehungsaufgaben, die eigentlich in die Elternhäuser gehören und jede Menge fachbezogene Vertretungsstunden. Lehrkräfte können so ihrem Anspruch an den eigenen Unterricht kaum noch gerecht werden. Die Übertragung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben auf die Lehrerinnen und Lehrer tut ein Übriges – auch diese Herausforderungen sind zusätzliche Belastungsfaktoren. Notwendig ist dringend weiteres Unterstützungspersonal für die #Schulen.
Viele #Lehrer wechseln deswegen in die Teilzeit und verzichten notgedrungen auf Gehalt/Lohn, auf Pensionsansprüche oder Rentenansprüche, um ihrer eigentlichen Aufgabe und dem eigenen Anspruch an die pädagogische Arbeit besser gerecht werden zu können. Dabei müssen aber gerade Lehrkräfte an #Gymnasien und #Gesamtschulen feststellen, dass Teilzeiten kaum entlastend sind. Dienstpläne werden mitunter durch eine Vielzahl von sogenannten Springstunden zerklüftet, und durch die Blockungen in der Oberstufe sind häufig sogar bei einer halben Stelle noch nicht einmal ein oder mehrere freie Tage im Stundenplan möglich.
Mit großer Sorge sieht der #PHV die Ankündigungen des Schulministeriums, Anträge auf voraussetzungslose #Teilzeit künftig intensiver prüfen (vulgo: häufiger ablehnen) zu wollen. Hintergrund ist das im Dezember 2022 vorgestellte Handlungskonzept Unterrichtsversorgung und das Dauerproblem des Lehrkräftemangels. »Das wird das Problem nicht lösen, sondern vielmehr verstärken. Wir befürchten, dass noch mehr Lehrkräfte über ein Ausscheiden nachdenken, weil der Beruf zunehmend unattraktiv wird. Die Folge sind weitere Mehrbelastungen für die Lehrerinnen und Lehrer, die noch im System sind. Am Ende werden die Belastungen und #Krankenstände steigen«, prophezeit Mistler. »Wir brauchen ansprechende Arbeitsbedingungen, um möglichst viele Kolleginnen und Kollegen motiviert und gesund zu halten und um junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern.«
Dass der Beruf unattraktiver für den Nachwuchs geworden ist, zeigen nicht nur die Zahlen der unbesetzten Stellen – in #NRW derzeit 7.100 – sondern auch die jüngste Destatiserhebung: 2022 haben knapp 45.400 Menschen (Bund) ein Lehramtsstudium begonnen, 3,2 Prozent weniger als im Studienjahr 2021 – und gut 7 Prozent weniger als noch vor 10 Jahren.