Graphic Design: Our Polite Society
Von Christian Schröter, 7. März 2024, Lesedauer 3 Minuten, 11 Sekunden
#Kunstverein #Bielefeld, »Am I a Monster?«, 17. Februar bis 28. April 2024
Bielefeld, 30. Januar 2024
Ein Blick auf die weitreichenden Konsequenzen alltäglichen Handelns und unserer Gewohnheiten in Bezug auf Konsumverhalten und soziales #Miteinander, kann die Frage hervorrufen: Bin ich ein schlechter Mensch? Inwiefern bin ich verantwortlich? Sind wir eine monströse Spezies? »Am I a Monster?«
Wie können wir mit den Gefühlen der Zerrissenheit, Überforderung, Resignation und Wut, die Ausdrücke eines Weltschmerzes sein können, umgehen? Etymologisch leitet sich das Wort »Monster« vom lateinischen monstrum »Mahnzeichen«, sowie monstrare »zeigen« und monere, »warnen« ab. Im Spannungsfeld des Aufzeigens gesellschaftlicher Missstände und Herausforderungen globalen Ausmaßes proklamieren die in der Ausstellung gezeigten Werke auch den Wunsch nach Verbesserung und der Suche nach Lösungsansätzen, die eine ökologische und faire Zukunft »gestalten«?
Das #Narrativ der Ausstellung führt ein vielschichtiges Themenspektrum zusammen, welchem sich die Künstler Anaïs Goupy, Chloe Wise, Christian Theiss, Diane Haefner, Jonas Monka, Lenn Blaschke, Mary Audrey Ramirez und Ronny Szillo widmen. Die Perspektiven der einzelnen künstlerischen Positionen stehen für sich oder greifen ineinander.
In Anaïs Goupys »Showy Shells« (2023) verschmelzen Objekte aus der digitalen und analogen Welt. Sie bindet KI gesteuerte Algorithmen, die sie mit visuellen Datensätzen füttert, in ihre Bildentstehungsprozesse ein. Hierzu kombiniert sie eine Vielzahl digitaler Abbildungen objektifizierender weiblicher Darstellungen aus Social Media mit Abbildungen europäischer Stillleben des 17. und 18. Jahrhunderts, auf denen Muscheln abgebildet sind, die als »Exotica« deklariert, Eingang in die Wunderkammern europäischer Sammlungen fanden. In der Verbindung menschlicher und maschineller Gesten, entstehen Trompe l‘oeils, die gegenwärtige und vergangene Repräsentationsformen auf ihre ausbeuterischen Mechanismen hin befragen.
Auch die Videoarbeit »Hyper Liminal« (2023) von Lenn Blaschke stellt dem Digitalen etwas scheinbar Natürliches gegenüber. Einer Videoanimation, in der sich eine Gesellschaft in der künstlichen Intelligenz aufzulösen scheint, setzt der Künstler eine vermeintlich postapokalyptische Landschaft entgegen, durch die ein human digitaler Hybrid wandelt. Bei der Landschaft handelt es sich jedoch nicht um eine dystopische Vision, sondern um reale Aufnahmen aus dem Harz, der aufgrund des massiven Borkenkäferbefalls zu weiten Teilen gerodet werden mussten.
Die »Shift Shaper« (2023) des Künstlers Christian Theiss berufen sich auf den Polytheismus im asiatischen Raum sowie die antike Mythologie. Bezeichnend für diese ist die Vermittlung, dass die negativen Wesenszüge unserer Existenz, ebenso Teil des Lebens sind, wie die guten. Seine polymorphen keramischen Gestalten wandeln auf einer Edelstahlinstallation im Kreis, präsentieren sich von allen Seiten und schlagen Referenzen zu göttlich anmutenden Figuren. Seine Monster scheinen in einem Kreislauf aus Präsentation und Konsum als ewige Angebote gefangen.
Die Porzellanplastiken von Diane Haefner erzählen diese Geschichte noch etwas weiter und wollen wissen, wie etwas von solcher Schönheit an der Oberfläche, derart düstere Themen behandeln kann? Ihre filigranen Arbeiten wirken wie genetisch veränderte Hybride mit Anteilen menschlicher wie auch pflanzlicher Phänotypen, die aus dem Material entwachsen. Ihre Oberflächen versieht Haefner mit einer subtilen Airbrush Glasur, deren pastellige Farbpalette Momente von Plastizität und Sinnlichkeit erzeugen und eine Rückbesinnung auf die eigene Körperlichkeit bewirken.
Die Künstlerin Mary Audrey Ramirez erschafft fabelhafte, außerirdische Wesen wie in »Hi! Empty Eyes« (2022), integriert »Worldbuilding« in ihre Praxis. Jonas Monka untersucht komplexe Körper System Beziehungen und hinterfragt binäre Systeme. Chloe Wises »Told A Vision« (2023) kritisiert Konsumkultur durch Persiflage von Werbestereotypen. Ronny Szillos »Work in Progress« (seit 2021) projiziert eine Anthropozän Zukunft mit künstlichen Fossilien. Gesamtheitlich behandeln die Perspektiven Moral, Verantwortung, technologische Entwicklungen, Klimafragen, Gesellschaft und Philosophie, erfordern #Achtsamkeit und #Reflexion.
Kuratiert von Undine Rietz.
Eröffnung
16. Februar 2024, 19 Uhr
Künstlergespräch
Lenn Blaschke im Gespräch mit Undine Rietz
17. Februar 2024, 12 bis 13 Uhr
Kuratorinnenführung mit Undine Rietz
18. Februar 2024, 17 Uhr