Von Christian Schröter, 21. März 2024, Lesedauer 9 Minuten, 49 Sekunden
#Landestheater #Detmold: »Samba!« Brasilien in Licht und Schatten, Tanztheater von Mario Martello Panno
Detmold, 21. Februar 2024
Rio de #Janeiro, irgendwann in den 60er Jahren: Gerade ist Karneval, die Zeit der farbenprächtigen Paraden, des Festes und Rausches. Wie jedes Jahr schicken die verschiedenen Samba Schulen ihre besten Vertreter, um in einem gewaltigen Wettbewerb auszufechten, wer der oder die beste Sambista ist. Doch #Samba ist weit mehr als bloß ein grelles Spektakel für Touristen, eine ekstatische Show oder ein erbitterter Wettstreit konkurrierender Schulen.
Das lernt auch die Verliererin des diesjährigen Wettbewerbes, die sich, nachdem sie besiegt wurde, eigentlich nur bei ihrer Großmutter ausweinen möchte. Doch stattdessen nimmt diese sie mit auf eine Reise zu den Ursprüngen des Samba, die sie selbst noch miterlebt hat. Dabei zeigt sie ihr, wie sich aus ehemals von der Regierung unterdrückten Ritualen, Tänzen und Musikformen das heutige Nationalsymbol Brasiliens entwickelt hat.
Zur Inszenierung
Regisseur Mario Martello Panno will mit seiner Inszenierung zeigen, dass Samba mehr ist als ein grelles Spektakel, als fetzige Rhythmen und bunte Kostüme. Samba ist Brasiliens Metapher für Einigkeit, für die Vermischung verschiedener kultureller Traditionen, #Musikstile und #Tanzstile und Denkrichtungen.
Zu Beginn wird uns erst einmal das Klischee gezeigt: Nach einem kurzen Vorspiel befinden wir uns schon auf dem brasilianischen Straßenkarneval, wo zwei konkurrierende Samba #Schulen gegeneinander antreten (dieser Teil der Inszenierung wurde eigens von der brasilianischen Choreografin Tamirys Candido erarbeitet). Es geht hoch her, es wird wild getanzt, die Kostüme wirbeln umher: Die Hauptvertreterinnen der beiden Tanzschulen liefern sich ein heißblütiges Tanzduell. Doch gewinnen kann nur eine. Enttäuscht zieht sich die Verliererin zurück zu ihrer Großmutter, um sich auszuweinen. Hier beginnt nun die eigentliche Geschichte, denn die alte Oma möchte von dem Lamento ihrer Enkelin nichts hören und will ihr die wahre Bedeutung des Samba näherbringen.
Sie erzählt von den Ursprüngen des Samba, die sie selbst noch miterlebt hat: Durch ihre Augen sehen wir, wie sich aus traditionellen Tänzen und Musiken der Sklaven in Brasilien der heutige Samba entwickelt hat, wie das Tanzen und Musizieren auch immer eine Form der Auflehnung gegen die Unterdrückung der Herrschenden waren.
Es folgt ein Zeitsprung. Wir befinden uns nun im beginnenden 20. Jahrhundert. Die Sklaverei vonseiten des Staates ist abgeschafft, doch Rassismus und Unterdrückung sind in Brasilien immer noch weit verbreitet. Samba ist zwar offiziell nicht verboten, doch Musiker, die afrobrasilianische #Musik spielen und Tänzer, die dazu tanzen wollen, werden von der #Polizei unterdrückt.
Die High Society Brasiliens zieht derweil europäische Walzer und Polkas vor, doch lange können auch sie der Anziehungskraft der vitalen Rhythmen und eingängigen Melodien nicht standhalten: Samba – lange Zeit bloße »Straßenmusik« – hält Einzug in die besseren Schichten der Gesellschaft und wird zur Nationalmusik Brasiliens. Erzählt wird dies anhand einer amüsanten Szene, in der Straßenmusiker und Tänzer einen pompösen Ball stürmen und die Damen und Herren der Oberschicht mit nur ein klein wenig Überredungskunst dazu bringen, gemeinsam mit ihnen Samba zu tanzen.
Samba ist musikalischer Eklektizismus: entstanden aus der Vermischung afroamerikanischer Rhythmen und Musikstile (die die aus Afrika verschleppten Sklaven in die portugiesische Kolonie mitbrachten) mit europäischen. Wohl deshalb wurde er in Brasilien seit dem 20. Jahrhundert zu einer Metapher für Synkretismus, für Vermischung und Vielfalt. – Das möchte auch Mario Martello Panno mit »Samba! – Brasilien in Licht und Schatten« dem Publikum näherbringen.
Interview mit Mario Martello Panno
Lieber Mario, du warst bis zur letzten Spielzeit am Landestheater als Tänzer angestellt und hast letztes Jahr bei der Veranstaltung »Junge Choreografen« einen eigenen Beitrag mit 2 Tänzerinnen erarbeitet. »Samba!« ist nun deine erste ›große‹ Inszenierung am Landestheater Detmold mit dem gesamten Ballett Ensemble. Was, glaubst du, erwartet dich?
Bei den »Jungen Choreografen« selbst choreografieren zu dürfen, war eine großartige Chance, mich darin auszuprobieren. Ich denke schon, dass es sehr herausfordernd werden wird, einen Abend mit dem kompletten Ensemble zu gestalten, aber ich bin zuversichtlich. Ich habe viel recherchiert und fühle mich gut vorbereitet, denn ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie Tänzer denken, wie sie arbeiten und was sie für Anweisungen wollen und auch brauchen. Ich freue mich sehr auf die Arbeit. Das wird sicher eine gute Zeit und auch ein schöner Ballettabend.
Wie hast du reagiert, als Katharina Torwesten dir vorgeschlagen hat, einen Abend zum Thema »Samba« zu gestalten?
Als Katharina mir das angeboten hat, war ich sofort interessiert. Ich wusste aber auch, dass es eine große Herausforderung werden würde und war darum ein wenig zwiegespalten: Einerseits unglaublich glücklich und extrem dankbar, aber auch ein bisschen ängstlich, denn ich befand mich zu dem Zeitpunkt in einer Übergangsphase meines Lebens. Erst wenige Monate zuvor hatte ich beschlossen, das Tanzen aufzugeben und in meine Heimat, nach Italien, zurückzukehren, nachdem ich viele Jahre im Ausland gelebt habe. Ich wollte fortan selbst choreografieren und lehren. Die Vorbereitung zu diesem Projekt hat mir dabei sehr geholfen.
Wie hast du dich darauf vorbereitet?
Zuerst habe ich viel gelesen und Dokumentationen geschaut. Ich habe gründlich das Netz durchforstet nach allem, was sich mit brasilianischer Geschichte und insbesondere der brasilianischem Musikkultur auseinandersetzt. Außerdem habe ich glücklicherweise brasilianische Freunde und Verwandte, mit denen ich mich über das Projekt unterhalten konnte. Danach habe ich mich gefragt, was ich dem Publikum eigentlich für eine Geschichte erzählen möchte. Als das ungefähr klar war, habe ich begonnen, gezielt nach der richtigen Musik zu suchen.
Es gibt einige Musikstücke, die keine »klassischen Sambas« sind – so kommt auch der Donauwalzer vor. Nach welchen Kriterien hast du die #Musik ausgewählt?
Manchmal war es mir wichtig, dass die Musik die Choreografie unterstützt und vorantreibt, um bestimmte Emotionen zu vermitteln – hier habe ich ganz nach Gefühl ausgewählt. Den Donauwalzer wiederum nahm ich für eine Szene, in der eine Zeit in Brasilien gezeigt wird, als die Samba Kultur von der Regierung und der High Society nicht akzeptiert wurde. Musiker und Sambistas mussten heimlich musizieren. Zu dieser Zeit waren in der High Society Brasiliens europäische Musikstile en vogue: Polkas, Mazurkas oder eben Walzer. Bei unserem ersten Gespräch erwähntest du, dass du die gesamte Choreografie quasi schon »in deinem Kopf« fertig hättest. Wie erarbeitet man so eine Choreografie? Bereits während der Ausarbeitung des Plots und der Beschäftigung mit der Musik und den Tanzstilen sind mir sehr viele Ideen in den Sinn gekommen und als wir sprachen, hatten viele Bilder in meinem Kopf schon eine sehr klare Form angenommen. Ich benutze zuerst viel meine Vorstellungskraft, gehe alles theoretisch durch, aber dann stelle ich mich vor den Spiegel und versuche, jede Sequenz selbst zu tanzen und schaue dabei, ob es funktioniert oder nicht.
Du wirst bei »Samba!« mit einer Co Choreografin, nämlich mit Tamirys Candido, zusammenarbeiten. Wie kam es zu der Entscheidung, sie mit ins Boot zu holen?
Tamirys und ich haben viele Jahre zusammen getanzt. Es gibt Momente im Stück, in denen authentischer brasilianischer Samba dargestellt wird. Sie ist Brasilianerin und kann sicherlich mit ihrer Expertise einen tollen und wichtigen Beitrag dazu leisten.
Bei dem Begriff »Samba« denken viele Leute aus unserem Kulturkreis als erstes an fetzige Rhythmen, farbenprächtige Kostüme, Karneval und wilde Paraden. Nachdem du dich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hast – was bedeutet »Samba« für dich?
Samba ist ein wichtiger Teil der brasilianischen Identität. Diese Musik, der Rhythmus und die Tänze haben eine faszinierende Geschichte. Eine Geschichte von Kämpfen, von Tapferkeit und dem Glauben an eine gemeinsame Identität. Für mich bedeutet »Samba« Zusammenhalt.
Regieteam und Ensemble
Mario Martello Panno (Choreographie)
Mario Cristian Martello Panno ist 34 Jahre alt und wurde in Italien geboren. Im Alter von 6 Jahren begann er seine Tanzausbildung in einer kleinen süditalienischen Stadt in der Region Kalabrien. Mit 14 Jahren trat er in die renommierte Ballettschule des »Teatro di San Carlo« in Neapel ein, wo er eine klassische Ballettausbildung erhielt. Anschließend erhielt er ein Stipendium am »Balletto di Toscana« in Florenz, wo er zeitgenössischen Tanz erlernte. Mit der Junioren Compagnie des »Balletto di Toscana« tourte er durch ganz Italien.
Nach Vollendung seiner Ausbildung wurde er als Tänzer, Dance Captain und Dance Coach bei TUI Cruises im Bereich Show Entertainment angestellt. Außerdem nahm er als Freelancer an mehreren choreographischen Projekten teil. Im Anschluss an seine Zeit bei TUI Cruises tanzte er ein Jahr am Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt, sowie 5 Jahre am Landestheater Flensburg. Von hier aus zog er nach Detmold und begann, am Landestheater zu arbeiten, wo er für 3 Jahre als Tänzer angestellt war und während dieser Zeit insgesamt 3 Choreographien für das Projekt »Junge Choreographen« erarbeitete: »Our Message«, »Into Her Dreams« und »Why«.
»Samba!« ist Mario Martello Pannos erste eigenständig erarbeitete und inszenierte Choreographie für ein großes Ballett Ensemble.
Erwin Bode absolvierte in den Jahren 1974 bis 1977 ein Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. In den Jahren 1977 bis 1987 arbeitete er als Szenenbildner beim »Fernsehen in der #DDR« in Berlin. Seit 1983 ist Erwin Bode freischaffend als Bühnen Kostüm und Szenenbildner sowie Maler und Grafikdesigner tätig.
Er arbeitete unter anderem am Schauspielhaus Düsseldorf, Pfalztheater Kaiserslautern, Landestheater Altenburg, Oper Leipzig, Staatstheater Schwerin, Schauspielhaus Leipzig, Nationaltheater Weimar, Theater Ingolstadt, Neuköllner Oper Berlin, Theater am Kurfürstendamm Berlin, Staatstheater Oldenburg, Landestheater Coburg, Theater Lüneburg, O.Ö. Landestheater Linz, Tiroler Landestheater Innsbruck, Ohnsorgtheater Hamburg, Schleswig Holsteinisches Landestheater sowie am Theater Pforzheim und Berliner Kriminaltheater.
Eigene Ausstellungen mit seinen Arbeiten präsentierte er in Berlin, Meiningen und Leipzig.
Felipe dos Santos Vasques (Kostüme)
Felipe Vasques, geboren in Santos, Brasilien begann seine Tanzkarriere im Alter von 15 Jahren. Im Jahr 2012 erhielt Felipe ein Stipendium, um ein Ballettstudium am »Orlando Ballet« in Florida zu beginnen, was einen Wendepunkt in seiner künstlerischen Entwicklung markierte. Nach Beendigung seines Studiums tanzte er mit angesehenen Compagnien wie dem »Oklahoma City Ballet«, dem »Ballet Nacional Argentino« und der »São Paulo Companhia de Dança« in Brasilien.
Felipes Leidenschaft für den Tanz führte ihn über mehrere Kontinente hinweg. Derzeit lebt er in Deutschland, wo er das Publikum am Landestheater Detmold unter anderem als Romeo in »Romeo und Julia« und als Prinz Siegfried in »Schwanensee« begeistert.
Neben dem Tanzen interessiert sich Felipe auch sehr für das Kostümdesign. Mit der Produktion »Samba!« hat er am Landestheater Detmold das erste Mal Gelegenheit, sein Talent in diesem Metier unter Beweis zu stellen, wobei ihm sein brasilianisches Erbe insbesondere bei diesem Stück sicherlich zugutekommt.
Tamirys Candido (Co Choreographie)
Tamirys Candido wurde in Brasilien geboren. 2006 erhielt sie ein Stipendium der MUK Wien und studierte dort Tanz. Im Jahr 2007 wurde sie nach Brasilien eingeladen, um bei der Einweihung des »Teatro Municipal De Vinhedo« aufzutreten. Außerdem nahm sie an renommierten nationalen und internationalen Wettbewerben teil und gewann zahlreiche Preise.
2010 arbeitete sie als Solopraktikantin an der #Ballettschule #Magdeburg und als Praktikantin am Theater Magdeburg, ab 2011 am Theater Hof in Bayern.
2012 unterschrieb sie einen Solistenvertrag bei der Ballettkompanie des Landestheaters Schleswig Holstein unter der Leitung von Katharina Torwesten. Im Jahr 2022 wurde sie von dem neuen Ballettdirektor Emil Bruland übernommen.
Seit der Beendigung ihrer Solokarriere als Tänzerin im Jahr 2023 gründete sie ihre eigene Agentur »Talentsmithy«, ist als Musical Choreografin am Theater Pforzheim zu Gast, arbeitet für das Team TUI Cruises und organisiert den »Internationalen #Choreografie #Wettbewerb« am Landestheater Detmold.
Premiere: Samstag, 2. März 2024, 19.30 Uhr, Großes Haus, weitere Termine Freitag, 8. März 2024, 19.30 Uhr, Samstag, 9. März 2024, 15 Uhr, Sonntag, 24. März 2024, 19.30 Uhr, Donnerstag, 16. Mai 2024, 19.30 Uhr, Mittwoch, 22. Mai 2024, 19.30 Uhr, Mittwoch, 29. Mai 2024, 19.30 Uhr