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Foto: Chris Kursikowski

Gütersloh, die Verkehrswende und der eklektische Zerfall

Von Christian Schröter, 24. März 2024, Lesedauer 5 Minuten, 39 Sekunden

Gütersloh, die Verkehrswende und der eklektische Zerfall

Gütersloh, 24. Februar 2024

Es ist zwar nicht ganz klar, was »#Verkehrswende« in #Gütersloh bedeuten soll. Aber das Parken zu verteuern, um Parkhäuser attraktiver zu machen, ist Unsinn. Das ruft nur Unmut hervor und ist eine Taktik aus dem Kaugummiautomaten. Eine Taktik aus dem Bereich der Spieltheorie, die auch am eigentlichen Thema vorbeigeht.

Wenn, dann sollte man eher eine Citymaut einführen. Wie beispielsweise in #London.

Freilich haben wir es in der Gütsler Innenstadt hauptsächlich mit #Transitverkehr zu tun. Das ist ganz etwas anderes als es in London war.

Das Ziel in Gütersloh kann ja nur das sein, möglichst viele Leute in die City zu bekommen – aber eben nicht mit dem Auto. Am liebsten per pedes oder per #Fahrrad. Oder #ÖPNV.

Schauen wir uns Venedig an. Dort gibt es gar keine Autos. Dennoch ist die City extremst überlaufen. Sie ist ein touristischer Sehnsuchtsort. London ist sowohl ein touristischer Sehnsuchtsort als auch ein urbaner Sehnsuchtsort.

Was ist Gütersloh?

Ein weiterer, gravierender Unterschied ist der, dass der Gedanke in London oder Venedig nicht Weltverbesserung ist.

Es liegt also auf der Hand: Die City wird komplett zur »Fahrradstraße« – und wir sorgen dafür, dass Gütersloh zum Sehnsuchtsort wird. Darüber muss man allerdings erst einmal nachdenken. Das Konzept der »Verkaufsoffenen Sonntage« ist nichts anderes – man macht die Innenstädte zum (rein sonntäglichen, auf einen Tag begrenzten) »Shoppingsehnsuchtsort«. Allerdings mehr als unspezifisch.

Das Thema »#Sehnsuchtsort« ist genau das, was das Stattmarketing schon längst hätte erreichen sollen, sogar müssen, aber gar nicht erst angegangen ist.

Es gibt also zwei Aufgaben. Die City zum Sehnsuchtsort zu machen und die City vom Transit zu befreien. Das greift ineinander.

Dazu betreibt man keine Weltverbesserung, keine Klugscheißerei, keine Albernheiten, kein Gedaddel.

Dazu betreibt man pointiertes Marketing. Man positioniert die Assets. Und die Assets gibt es. Um einige Beispiele zu nennen: Wir haben Top Läden wie etwa den Juwelier Dodt, Modehäuser wie Finke, Wörmann, White Cube, Pearls, Mirage, Optiker wie etwa Lukarsch, Dodt, andere Bereiche wie Schorcht, die »Brotstube 2.0« … die Stadtparfümerie Pieper … Baxmann natürlich … Design Idee, Pro Objekt … die schönste Bäckerei der Welt … und auch noch mehr. Früher war Schenke eine Top Feinkostsache, das ist mittlerweile etwas verschwommen. Ganz früher war der Laden dort, wo heute die Sparkasse ist. Ganz früher gehörte es in gewissen Kreisen noch zum Guten Ton, sich zu Anlässen Häppchen von Schenke kommen zu lassen (heute nennt man so etwas »#Catering«, »Finger Food«, »Horsd’œuvre«, »Canapés«). Vieles ist mittlerweile zerflossen – auch im weitesten Sinne – was man als eklektischen Zerfall bezeichnen muss.

Dazu muss man sie erst einmal nennen, positionieren, beispielsweise mit dem Top Shop Award oder dem Schaufensterwettbewerb und weiteren Dingen … und das muss auch gar nicht allzu konkret sein. Es kann nicht Dutzende von »#Leuchttürmen« geben, es muss schlicht Licht geben. Nicht zu abstrakt, aber auch nicht zu konkret.

Das ganze ist letztlich eher ein Gefühl. Und wie das Gefühl bei nicht wenigen aussieht, wissen wir, wir lesen und hören es ständig: »Blablabla – nur noch Handyläden und Backshops und Dönershops«.

Es ist eigentlich so einfach und doch so schwierig.

In den 70ern und 80ern gab es in Gütersloh noch dieses Gefühl: Es war etwas Besonderes, »in die Stadt« zu fahren. Das ist es heute gar nicht mehr. Früher war das ein geflügeltes Wort. Man fuhr »in die Stadt«. Niemand käme heute auf die Idee, das so zu sagen und so zu meinen.

Schauen wir uns einfach ein ganz anderes Beispiel an, das aber doch den Kern dieses Gedanken zeigt: den »Burger King«. Viele hatten nach der Eröffnung dieses Gefühl – das Gefühl zu denken und zu sagen: »Da muss ich mal hin, mir das mal angucken«. Das ist nüchtern betrachtet völliger Schwachsinn – was will man da »angucken«? Burger? In einem Fast Food Tempel? Kennt man einen, kennt man alle. Dennoch funktioniert es. Ist McDonald’s »geil«? Für viele ja – aber aus keinsten Sachgründen, sondern einfach so, weil es eben so ist.

#Marketing ist sehr komplex. Die #Amerikaner haben das gut drauf – sie sind halt eine reine Shownation. Aber auch mit gewissen Substanzen. Wenn nun noch das Element der Tradition hinzukommt. Man kann nicht nur auf Einzelaspekte setzen. Die Mischung macht’s.

Wieder ein Beispiel: Harley Davidson. Eine Sehnsuchtsmarke. Die Technik: schlecht. Der Preis: überteuert. Die »Usability«: schlecht. Jedes Japanmoped ist tausend mal besser. Und dennoch ist es eine Sehnsuchtsmarke. Ähnlich ist es mit Coca Cola und anderen epischen Marken. Nicht nur amerikanischen.

Vor Jahrzehnten kursierte diese Geschichte eines Krisentreffens bei Harley Davidson, die in etwa so geht: Es gibt das Treffen. »Meine Herren [sic!], was ist los?« … »Unsere Technik ist viel besser als die der Japsen« … »Nein. Was sehen sie da?« … »Unser Topmodell! Einen Ausschnitt!« … »Nein, das ist eine #Suzuki. Deren Technik ist viel besser und zuverlässiger!« … »Aber wir haben den besseren Sound!« … »Was hören wir hier?« … »Unsere #Harley!« … »Nein, eine Yamaha!« … »Bei uns bekommt man was fürs Geld« … »Bei Honda bekommt man für viel weniger Geld viel mehr!« … »Aber unsere Motoren sind super!« … »Sind sie nicht!« … »Halleluja. Was machen wir denn nun? Die anderen sind ja wirklich in allen Punkten besser!« … »Tja, meine Herren. In einem Punkt sind sie nicht besser!« … »Und in welchem? Sie haben uns doch gerade alles aufgezählt!« … »Es sind keine Harleys!« …

Ähnlich ist auch die Story vom Pepsitest. Im Blindtest schmeckte Pepsi allen besser. Aber Coke war immer erfolgreicher. Wie konnte denn das sein? Das durfte nicht sein (Pepsi enthielt schlicht noch viel mehr Zucker, das war alles). Also hat #Coke das Rezept geändert (das wertvollste und geheimste Rezept des bekannten Universums, das angeblich nur ein paar wenige Menschen überhaupt kennen – das ist natürlich nur ein alberner Mythos). Es gab die New Coke. Und was passierte? Sie wären fast pleitegegangen. Weil man das Allerheiligste angetastet hat. Man brachte dann schnell die Classic Coke und alles war wieder in Ordnung.

Das wäre bei anderen Marken das gleiche. Bei Harley gab es den Versuch, mit der Sportster ein modernes Bike zu kreieren. Es ist das erfolgloseste und schlimmste Modell. Umgekehrt haben die Japaner versucht, sich ein paar Scheibchen abzuschneiden. Das Ergebnis: schlimm. Etwa die »Gold Wing« (die immerhin für sich selbst einen gewissen Kultstatus erreicht hat), aber auch diverse »Choppermodelle«. Sie sind viel besser, aber es sind einfach keine Harleys. Auch in #Deutschland gab und gibt es ikonische Marken, einige hat man leider versaut oder angetastet, andere nicht. Beispiele sind #Zeiss Jena, #Leica#Mercedes hat man etwas versaut … aber ähnlich kann man eben auch lokal vorgehen. Das sind dann die besagten Assets.

Original Content Gütersloh, die Verkehrswende und der eklektische Zerfall bei Gütsel Online …

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