Noch bis Samstag, 31. August 2024, kann die Ausstellung zu Hermann Simon kostenlos im Foyer des Stadtarchivs zu den Öffnungszeiten des Lesesaals besichtigt werden. Foto: Stadt Gütersloh
Von Christian Schröter, 25. Juli 2024, Lesedauer 3 Minuten, 2 Sekunden
Gütersloh: Ausstellung »Hermann Simon – das Erbe eines Psychiaters« im Stadtarchiv, bis 31. August 2024
Gütersloh, 24. Juni 2024
Wer war #Hermann #Simon? Am vergangenen Samstag, 22. Juni 2024, wurde in den Räumen des Stadtarchivs eine Ausstellung zum Gründer des heutigen »#LWL Klinikums« eröffnet, die dieser Frage auf den Grund zu gehen versucht. Sie ist eine Reise durch das Leben und Handeln des über Westfalen hinaus bekannten Psychiaters (1867 bis 1947), der weltweit seine Spuren hinterlassen hat. In der Zeit von 1914 bis 1934 verwirklichte er eine aktivere Behandlungstherapie für psychisch Kranke, woraufhin sich die Gütersloher Klinik zu einer der damals fortschrittlichsten psychiatrischen Einrichtungen entwickelte. Simon selbst galt als autoritärer Direktor, der bereits vor dem Nationalsozialismus Zwangssterilisierungen und »die Ausmerzung der Schwachen, Kranken, Minderwertigen« (Zitat) forderte.
Die Ausstellung wurde im Rahmen eines Diskussionsforums eröffnet, in dem über die erinnerungskulturelle Bedeutung Hermann Simons sowie über die bleibenden Ehrungen diskutiert wurde. Geladen waren unter anderem der Geschichtsprofessor Prof. Dr. Franz Werner Kersting, der unter anderem über Simon forschte, Prof. Dr. Michael Löhr als Pflegedirektor des »LWL Klinikums Gütersloh« sowie Dr. Franz Jungbluth, Historiker und Gründungsmitglied der Gütersloher Arbeitsgemeinschaft Straßennamen. Moderiert wurde das Forum von Lasse Stoevesandt, der ein Freiwilliges Soziales Jahr im Stadtarchiv absolviert und die Ausstellung als sein Jahresprojekt selbstständig konzipierte.
»Wie wollen wir jetzt und in Zukunft an Hermann Simon erinnern?« Mit dieser Frage eröffnete Stoevesandt das Diskussionsforum. Prof. Dr. Franz Werner Kersting betonte die mehrschichtige Ambivalenz Hermann Simons: Seine psychiatrischen Errungenschaften der Arbeitstherapie seien zwar bemerkenswert, seine Persönlichkeit und sozialdarwinistischen Überzeugungen würden jedoch zu Recht kritisiert. Auch die Erinnerung an Simon nach seinem Tod ist ambivalent. Bis in die 1990er Jahre wird er mit Gebäudenamen und Straßennamen sowie Preisen und Denkmälern geehrt und oftmals als Erfinder der Arbeitstherapie glorifiziert. Kritische Stimmen zu seinem Lebenswerk gab es erst mit Erkenntnissen über Simons sozialdarwinistisches Gedankengut. Auch nach einem abgelehnten Bürgerantrag im Jahr 2012 behält die Hermann Simon Straße in Gütersloh ihren Namen. Die Klinik wiederum, erläutert Prof. Dr. Michael Löhr, habe ihre Lehren gezogen: Das ehemalige »Hermann Simon Haus« wurde zwar aufgrund einer EDV Einführung umbenannt, der Haupteingang jedoch bewusst von der Hermann Simon Straße in die Buxelstraße verlegt.
Die Diskussion mit rund 50 Teilnehmern entwickelte sich lebendig und vielseitig. Neben der Ambivalenz der Person Simons wurden auch der Straßenname diskutiert. Ist die Ehrung einer Person, die einerseits die Psychiatrie modernisiert hat, andererseits überzeugter Sozialdarwinist und Erbbiologe war und die Machtübernahme Hitlers begrüßte, heute noch zeitgemäß? Oder ist Hermann Simon »ein Kind seiner Zeit«? Dr. Franz Jungbluth verwies auf die Richtlinie zur Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen, nach der eine Straße umbenannt werden kann, wenn die zu ehrende Person ein Wegbereiter des Nationalsozialismus war. Ob dies bei Simon der Fall sei, so Jungbluth, muss vor allem von der Politik entschieden werden. Dem stimmte auch Simone Hanneforth zu: »Über die Umbenennung einer Straße entscheidet der Ausschuss für Kultur und Weiterbildung nach einer umfangreichen Diskussion mit einer demokratisch gewählten Mehrheit«, so Hanneforth. »Dieses Forum heute ist jedoch ein erster Schritt für die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Straße.« Franz Werner Kersting fasste am Ende zusammen: »Das Diskussionsforum und die Ausstellung haben einen neuen Erinnerungsort und einen Ort der gelebten Erinnerungskultur geschaffen.«
Interessierte sind eingeladen, sich die Ausstellung anzusehen. Sie kann noch bis Samstag, 31. August 2024, kostenlos im Foyer des Stadtarchivs, Moltkestraße 47, zu den Öffnungszeiten des Lesesaals besichtigt werden (dienstags, mittwochs, donnerstags 10 bis 12.30 Uhr sowie dienstags und donnerstags 14 bis 17 Uhr).