Gemeinsam mit drei weiteren Kollegen sind sie zuständig für die Kontrolle von 70.000 Bäumen im Gütersloher Stadtgebiet: Bastian Röpnack, Baumkontrolleur bei der Stadt Gütersloh, und Fabian Pollmüller, Meister für die Baumpflege beim städtischen Fachbereich Grünflächen. Foto: Stadt Gütersloh
Von Christian Schröter, 9. August 2024, Lesedauer 7 Minuten, 5 Sekunden
Gütersloh: »Bäume sind Lebewesen« – wnterwegs mit einem städtischen Baumkontrolleur
#Gütersloh, 9. Juli 2024
Wenn Bastian Röpnack durch den #Stadtpark geht, ist das kein normaler Spaziergang. Statt in die Weite zu blicken und entspannt dem Vogelgezwitscher zu lauschen, ist seine volle Aufmerksamkeit gefordert, denn Röpnack ist Baumkontrolleur beim Grünflächenamt – seit 20 Jahren. Gemeinsam mit drei weiteren Kollegen – alle gelernte #Gärtner – ist er für die Kontrolle der öffentlichen Flächen und Wege im gesamten Stadtgebiet mit mehr als 70.000 Bäumen zuständig. Ausgerüstet mit diversen Werkzeugen überprüft er die Bäume in regelmäßigen Abständen auf ihre Standsicherheit. Sein Gebiet erstreckt sich dabei über den Stadtpark mit etwa 4.500 Bäumen und auf die Schulen und Kindergärten in Gütersloh. Bei einem gemeinsamen Rundgang durch den Stadtpark zeigt er, wie sein Arbeitsalltag aussieht.
Bäume können Verletzungen erkennen und vom gesunden Stamm abschotten
»Unsere Prämisse ist: den Baum so lange erhalten, wie es geht. So steht es auch in der Baumschutzsatzung«, erklärt Bastian Röpnack, als er auf den ersten Baum am Wegesrand – eine amerikanische Rot #Eiche – mit einer auch für Laien offensichtlichen Schadstelle zusteuert. Es sieht aus wie ein Geschwür, was da aus dem Stamm herauswächst. »Das hier ist eine Maserknolle, die durch einen Pilz eine Fäule entwickelt hat und so das Holz zersetzt – ein Problem, das sich auf die Standsicherheit auswirken kann.« Das Erstaunliche: Der Baum erkennt die Verletzung selbst und kann diese durch eine zusätzliche Schicht Holz vom gesunden Stamm abschotten. So kann der Pilz nicht mehr auf den Rest des Stammes übergreifen. »Wichtig für uns als Baumkontrolleure ist festzustellen, ob der Baum diesen Abwehrmechanismus in Gang gesetzt hat. Das können wir mittels eines Bohrwiderstandsmessgeräts kontrollieren«, erklärt Röpnack. Dazu dreht er eine dünne Nadel in den Stamm. Durch eine Veränderung des Widerstands beim Hineindrücken weiß der Fachmann, bis wohin das Holz auf der gegenüberliegenden Seite der Schadstelle noch fest und gesund ist. Je nach Messwert gibt es dann verschiedene Optionen, um den Baum zu erhalten. In diesem Fall heißt es: die Krone einkürzen. »Dieser Baum war höher als die umliegenden, weshalb er dem Wind stärker ausgesetzt war. Durch das Einkürzen der Krone auf die Höhe der umliegenden Bäume konnten wir die Segelwirkung verringern, da der Baum jetzt windgeschützt steht. So ist seine Standfestigkeit wieder gewährleistet.« Für die Umsetzung der von Bastian Röpnack und seinen Kollegen festgelegten Maßnahmen ist die Arbeitsgruppe der Baumpflege zuständig. Zu den am häufigsten umgesetzten Maßnahmen gehören die Entnahme von Totholz und das Beschneiden der Bäume, weil das Lichtraumprofil beeinflusst wird, also #Laub oder #Äste zu tief im #Straßenraum und #Verkehrsraum hängen.
Digitales #Baumkataster: 60.000 Bäume einzeln erfasst
Sämtliche Informationen des kontrollierten Baumes – die Höhe, der Durchmesser der Krone und des Stammes, mögliche Schiefstände, Schadstellen sowie ergriffene Maßnahmen – werden in das digitale Baumkataster eingetragen. Insgesamt 60.000 Bäume sind darin für Gütersloh einzeln erfasst, weitere 10.000 sind in der Flächenkontrolle. Die Eintragungen im sogenannten Stammdatenformular sind gesetzlich vorgeschrieben und werden in einer Historie gespeichert. Diese ist besonders nützlich für die Baumkontrolleure. »Mithilfe der Historie können wir zum Beispiel einsehen, wie lange ein Baum schon schief steht. Wenn das schon zehn Jahre der Fall ist, dann wissen wir, dass die Schieflage allein keinen Grund zum Handeln darstellt.« Zusätzlich kann für jeden Baum festgelegt werden, in welchen Intervallen eine Begutachtung erfolgen soll. Junge Bäume sowie gesunde Bäume in der Reifephase müssen in der Regel alle zwei Jahre kontrolliert werden, alte Bäume – insbesondere, wenn sie bereits geschädigt sind – dagegen jährlich oder halbjährlich. »Das ist wie bei uns Menschen«, sagt Bastian Röpnack und lacht, »wenn die Haare langsam grau werden, dann fallen da auch schon mal ein paar mehr aus.«
Dabei hängt die #Baumgesundheit nicht nur vom Alter, sondern auch von Faktoren wie Standort, Baumart und Wetter ab. Letzteres wirkt sich vor allem seit einigen Jahren stark auf die Bäume aus. Sie haben unter häufigeren Stürmen, längeren Trockenphasen und Starkregen zu leiden. Durch diese Wetterkapriolen gewinnt der Baumerhalt auch in der Gesellschaft immer mehr an Bedeutung, was auch Röpnack in seiner täglichen Arbeit merkt: »Ich werde heutzutage viel häufiger von Bürgerinnen und Bürgern angesprochen als früher, wenn ich meine Runden durch den Stadtpark drehe. Die Leute wollen wissen, warum ein Baum gekürzt oder im schlimmsten Fall sogar gefällt werden soll. Diese Informationsarbeit ist ein wichtiger Teil meines Jobs.« Was viele nicht wissen: Wenn die Baumkontrolleure nicht abschließend beurteilen können, ob ein Baum noch standsicher ist, wird ein externes Fachgutachten angefordert.
Schadstellen sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar
Nach der amerikanischen Roteiche mit Maserknolle geht es weiter zu einer Buche in einem Restbestand, an der Baumkontrolleur Röpnack kürzlich mehrere Defizite festgestellt hat: »Unten ist eine Vergabelung mit eingewachsener Rinde, die statisch ein Problem darstellt. Daher ist oben eine sogenannte Kronensicherung verbaut worden – ein Seil, das bis zu acht Tonnen Gewicht hält.« Eine besonders schonende Möglichkeit, den Baum wieder standsicher zu machen. Ob die Verseilung noch intakt ist, kontrolliert er mit einem Fernglas.
Ganz so offensichtlich wie in diesen beiden Fällen sind Schadstellen aber nicht immer. Manchmal sehen Bäume auf den ersten Blick sehr vital aus, während das Holz von innen durch Pilze oder andere Schädlinge zersetzt wird. Daher reicht eine rein visuelle Begutachtung der Bäume nicht immer aus. Dann kommt das Spezialwerkzeug der Baumkontrolleure zum Einsatz: Mithilfe eines Schonhammers führt Bastian Röpnack beispielsweise Klopfproben durch, anhand derer verdeckt liegende Hohlräume gefunden werden können. Mit dem Sondierstab kann er Wurzelanläufe und offenliegende Hohlräume überprüfen. Auch sein Fernglas leistet ihm gute Dienste, um Spechtlöcher und Nisthöhlen auf weite Distanzen zu entdecken. Sie sind ein Indiz für den Baumzustand, da gesundes Holz zu hart ist, um vom Specht bearbeitet zu werden. Die Aushöhlungen können sich dann noch zusätzlich negativ auf die Statik des Baumes auswirken.
»Wir arbeiten mit Lebewesen«
»Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit Lebewesen arbeiten. Bäume sind individuell und nicht jede Regel passt auf jeden Baum. Daher gibt es auch eher Richtlinien als Regeln in unserem Bereich«, erläutert Bastian Röpnack beim weiteren Rundgang durch den Stadtpark. Das Festlegen der Maßnahmen benötigt immer ein gewisses Maß an Feingefühl. Freistehende Buchen bekommen beispielsweise schnell Sonnenbrand und sterben dadurch. Wenn eine solche Buche dann entfernt wird, geht das Problem häufig über auf die benachbarten Bäume, die der Sonne dann stärker ausgesetzt sind. Es gibt nicht immer die eine, optimale Lösung. Dabei ist die Fällung eines Baumes stets das letzte Mittel, um die Verkehrssicherheit aufrechtzuerhalten. »Generell versuchen wir, unnötige Verletzungen am Baum zu vermeiden. Verschattungen im eigenen #Garten oder auf der #Photovoltaik #Anlage reichen daher als Gründe nicht aus, um einen gesunden Baum zurückzuschneiden«, betont der Baumkontrolleur. Solche Anfragen sind keine Einzelfälle, denn immer wieder melden sich Bürger mit solchen Wünschen.
Baumkontrolleure und Baumpfleger arbeiten Hand in Hand
Beim Rundgang durch den Stadtpark wird deutlich, wie viel Erfahrung Bastian Röpnack in den vergangenen 20 Jahren als Baumkontrolleur gesammelt hat. Den Anfang bei der Stadt machte er als Baumpfleger, nach drei Jahren wechselte er in die Kontrolle. »Das ist ein großer Vorteil – beide Seiten zu kennen. Dadurch hat man ein anderes Verständnis für die Abläufe und kann besser einschätzen, welche Informationen wichtig für die andere Seite sind.« So kann es beispielsweise sein, dass bei der Baumpflege noch weitere Schadstellen weit oben am Stamm auffallen, die der Baumkontrolleur vom Boden aus nicht sehen konnte. Eine gute Kommunikation ist in solchen Fällen wichtig, um relevante Informationen zur Statik des Baumes weiterzugeben und im Baumkataster festzuhalten.
Am Ende des Rundgangs steht fest: Es gehört eine Menge Fachwissen zum Job des Baumkontrolleurs – mindestens genauso viel wie Achtung vor und Wertschätzung für die Natur. Bastian Röpnack hält fest: »Als Baumkontrolleur ist es wichtig, den Baum als das zu respektieren, was er ist – ein Lebewesen.«
Ein Video vom Rundgang mit Bastian Röpnack ist online und auf den Social Media Kanälen der Stadtverwaltung zu sehen.