Seit zweieinhalb Jahren engagiert sich HSBI Studentin Tara Steinert ehrenamtlich im Trauercafé der Bielefelder Diakonie. Foto: P. Pollmeier, HSBI
Von Christian Schröter, 31. November 2024, Lesedauer 4 Minuten, 2 Sekunden
Ehrenamt im Trauercafé: Studentin Tara Steinert hat den Engagement Preis der HSBI Fördergesellschaft erhalten
Bielefeld, 30. Oktober 2024
Draußen ist es grau. Regen schlägt auf die Straßen, ein Auto nach dem anderen rauscht vorüber. Drinnen strahlt Tara Steinert. »Kommen Sie herein«, begrüßt sie herzlich die Gäste im Begegnungszentrum Kreuzstraße der Diakonie Bielefeld und rückt einladend ein paar Stühle zurecht. Das Trauercafé kann beginnen. Tara Steinert studiert im 6. Semester den #Bachelorstudiengang #Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Bielefeld (HSBI). »Mich interessieren Menschen, was bewegt sie, warum handeln sie so, wie sie es tun. Ich versetze mich gerne in andere hinein, versuche, sie zu verstehen und entsprechend zu begleiten«, beschreibt die 22 Jährige ihre Motivation. Die hat sie auch zu ihrer eher ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigung gebracht: Seit zweieinhalb Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich im Trauercafé der Bielefelder Diakonie. In der offenen Gruppe treffen sich Menschen, die einen Verlust erlitten haben, um über ihre Trauer zu sprechen und Wege zu finden, mit ihr umzugehen.
Im Trauercafé werden Kräfte geweckt für die gegenseitige Unterstützung
Trauer und Tod sind Themen, mit denen sich junge Menschen in der Regel ungern freiwillig beschäftigen. »Aber sie gehören zum Leben dazu. Das Leben ist nun mal vergänglich, man sollte sich damit auseinandersetzen«, sagt Tara Steinert. »Das kann viel befreiender sein, als sich davor zu verstecken.« Die Studentin mag es nicht, wenn schwierige Themen ausgeklammert werden. Auch wenn sie selbst nicht direkt betroffen ist – Steinert hatte noch niemanden verloren, als sie eher zufällig auf das Trauercafé aufmerksam wurde. »Ich war für mein Studium an der HSBI nach Bielefeld gezogen und wollte mich auch an anderer Stelle einbringen, einfach irgendwo helfen.« Nach einer Hospitanz war ihr klar: Die Arbeit mit Trauernden ist genau das richtige. »Man sieht, wie gut ihnen der Austausch in der Gruppe tut, es wird geweint, aber auch gelacht. Man kann hier wirklich unterstützen.« Und bekommt auch noch etwas zurück. Tara Steinert beginnt wieder zu strahlen: »Allein beim ersten Mal habe ich schon so viel erfahren dürfen, von den Mitarbeitenden und Trauernden, über die Trauer, die Herausforderungen des Alters, aber auch über die Biografien der Menschen, über das, was sie bereuen oder auch nicht.« Trotzdem – anfangs war sie unsicher: Würde die Gruppe sie, eine junge Studentin, akzeptieren?
Eckhard Groß schmunzelt und wirft Tara Steinert einen Blick von der Seite zu. »Tara ist eine echte Bereicherung«, findet er. »Sie bringt erfrischende und neue Perspektiven ein.« Der Rentner hat sich schon während seines Berufslebens als Rechtsanwalt ehrenamtlich engagiert. Im Ruhestand hatte er dann Zeit für eine Ausbildung zum Trauerbegleiter und leitet nun neben der Arbeit im Trauercafé auch eine andere Trauergruppe. Als das Wort »leiten« fällt, erhebt Eckhard Groß freundlich, aber bestimmt Einspruch. »Wir leiten nicht, wir moderieren nur«, sagt er und erklärt das Prinzip des Trauercafés: »Uns geht es darum, eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen und die Kräfte zu wecken, die die Leute selber haben, auch für gegenseitige Unterstützung.« Dazu brauche es weniger eine große Lebenserfahrung als andere Qualitäten: »Man muss zuhören, sich in andere einfühlen und sich selbst zurücknehmen können.«
Wertschätzung und Respekt für verschiedene Lebensgeschichten
Das gelingt Tara Steinert wie selbstverständlich. Die 22 Jährige ist aufmerksam, wirkt ehrlich interessiert an den Menschen, voller Wertschätzung und Respekt den verschiedenen Lebensgeschichten gegenüber. Und sehr reflektiert: Als sie erzählt, dass auch ihr Gefühle wie Einsamkeit und Angst vor Vergänglichkeit nicht fremd sind, schiebt sie gleich hinterher: »Das ist natürlich nicht dasselbe wie in der Trauer, das ist klar.« Mit kleinen Impulsen bringt Steinert die Trauernden ins Gespräch und freut sich, wenn sich eine eigene, positive Dynamik entwickelt. Wie neulich, als sie mit der Gruppe Sonnenstrahlen für die dunkle Jahreszeit gesammelt hat, schöne Erinnerungen ebenso wie alles, was aktuell Freude bereitet. »Erst wollte niemandem etwas einfallen, aber dann gab eins das andere und wir hatten schließlich einen richtigen Redefluss.« Über mangelnde Akzeptanz braucht sich Tara Steinert keine Gedanken zu machen, die Trauernden fragten sie schon bei ihrem ersten Einsatz: »Wann kommen Sie denn wieder?«
Für ihren ehrenamtlichen Einsatz wurde Tara Steinert unlängst auf dem Jahresempfang der HSBI mit dem #Engagement Preis der Fördergesellschaft der Hochschule ausgezeichnet. Wichtig ist der 22 Jährigen, dass sie mit dem Preis auf das Thema aufmerksam machen konnte. »Man sollte über die Trauer und mit den Trauernden sprechen. Nichts sagen ist viel schlimmer als etwas vermeintlich Falsches sagen. Egal, wie lange der Verlust schon her ist.«
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